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Digitale Resilienz wird strategischer Wettbewerbsvorteil

zur Digitalisierung saarländischer KMU in Coronazeiten
Von Tobias Greff und Dr. Mathias Hafner
Anfang März begann das Corona-Virus als Beschleuniger der Digitalisierung zu wirken: Erste Unternehmen in der Region sandten Mitarbeiter ins mobile Arbeiten. Wenig später haben dann Betriebe und Verwaltungen auf breiter Front Präsenzpflichten durch mobile Formen des Arbeitens ersetzt. Die plötzlichen und massiven Auswirkungen der Pandemie sorgten dabei für eine steile Lernkurve. Vor allem kleinere und mittlere Unternehmen standen vor ganz neuen Herausforderungen: Häufig fehlte die technische Infrastruktur und vielfach waren bestehende Prozesse und Arbeitsrichtlinien nicht auf moderne Formen des Arbeitens ausgerichtet. Viele der „Digitalisierungseinsteiger“ machten dann in kürzester Zeit so einiges möglich – es blieb ihnen ja auch gar nichts anders übrig.   Unterstützt wurden sie dabei von Einrichtungen aus der Region, wie etwa von der IHK Saarland, den Hochschulen oder dem EastSideFab. Eine zentrale Rolle spielt auch das Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum in Saarbrücken, mit dem die IHK intensiv zusammenarbeitet, um den KMU der Region passgenaue Digitalisierungshilfen bieten zu können.

Das eigene Leistungsangebot digitalisieren…


Mit der Frage, wie der eigene Betrieb den Weg durch die Corona-Pandemie findet, waren und sind alle saarländischen Unternehmen konfrontiert. Für viele von Ihnen ein entscheidender Lösungsansatz: verstärkte Digitalisierung. Dabei zeigten sich erhebliche Unterschiede: In Verwaltungs-, Dienstleistungs-, Beratungs- und dem IKT-Segment stellten sich meist andere Herausforderungen als in Logistik, Produktion, produktionsnahem Handwerk oder bei den Zulieferern. Sieht man von existenziell betroffenen Bereichen wie der Eventbranche ab, so waren die Leistungen dienstleistungsnaher Betriebe häufig einfacher ins Homeoffice zu transferieren. Einige von ihnen hatten zunächst zwar noch Infrastrukturfragen oder  einen akuten IT-Beschaffungsengpass zu bewältigen. In der Tendenz waren aber gerade diese Betriebe rasch arbeitsfähig. Ein hierfür typischer Fall aus der Beratungspraxis ist ein Unternehmen, das Übersetzungsdienstleistungen in der Region anbietet. Ist es für einen solchen Dienstleister – wie in der Corona-Pandemie der Fall - plötzlich nicht mehr möglich, die Grenze zu überqueren und vor Ort Simultanübersetzungen durchzuführen, gefährdet dies das Geschäftsmodell zunächst in Gänze. Technische Lösungen können diese Hürde aber überwinden: Die Herausforderung besteht in erster Linie darin, den klassischen Prozess in ein Remote-Arbeitsumfeld zu transformieren. Gesucht wird daher nach Software und Webinarlösungen für genau dieses Einsatzfeld. Aber neue Software allein reicht nicht: Auch eine Anpassung der Prozesse ist erforderlich. Hier können Förder-Organisationen unterstützen, indem Beispiele guter Praxis für virtuelles und mobiles Arbeiten aufgezeigt werden, gerade auch in Bezug auf Ergonomie, Organisation und Mitarbeiterführung. Im Ergebnis lässt sich idealerweise ein neuer Reifegrad ortsunabhängigen Arbeitens erreichen und Leistungen können auch zukünftig direkt digital angeboten werden.

… und neue digitale Geschäftsmodelle entwickeln

Für viele andere Betriebe war es nicht möglich, ihre bestehenden Leistungen und Prozesse einfach in eine Remote-Lösung zu transferieren. Dies gilt vor allem für das produzierende Gewerbe und dessen Umfeld. Aus der Beratungspraxis des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums lässt sich beispielhaft für ein solches produktionsnahes Unternehmen ein Logistik bzw. Wartungs- und Inspektionsbetrieb nennen. Dieser hatte in den ersten Monaten der Pandemie keinerlei Optionen, seine Leistungen aufrecht zu erhalten. Viele Mitarbeiter waren in Kurzarbeit, viele weitere im Homeoffice - ohne dass für sie konkrete Beschäftigungsfelder bestanden. Dieses Unternehmen nutzte die schwierige Situation zur strategischen Weiterentwicklung: Aus der Chance heraus, einmal ohne belastendes Tagesgeschäft genügend Ressourcen zur Verfügung zu haben, wurden in verschiedenen Teams aktuelle Prozesse hinterfragt, neue Digitalisierungsfelder identifiziert und auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz geprüft. So wurden freie Ressourcen remote zur strategischen Entwicklung eingesetzt. Im Ergebnis ist heute ein beachtlicher Reifegrad in den Prozessen und ein höheres Digitalisierungsniveau erreicht, neue Projekte wurden angestoßen und es besteht ein klares strategisches Bild der eigenen Organisation. Unter anderem wurde ein Vorhaben avisiert, die Schichtplanung künftig KI-basiert zu realisieren – und so eines der drängendsten Probleme im Unternehmen mit digitaler Unterstützung zu lösen.

In beiden geschilderten Fällen hat der Digitalisierungsimpuls positive Ergebnisse gebracht. Zugleich stehen die Beispiele aber auch für verschiedene Ansätze, die ebenso unterschiedliche Unterstützungsleistungen von Einrichtungen wie dem Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum erfordern. Der Unterschied liegt in der Betrachtung der Digitalisierung. Im einen Fall wurden klassische Prozesse mittels digitaler Lösungen bestmöglich abgebildet. Im anderen Fall wurden Prozesse neu durchdacht, ihr Nutzen hinterfragt und ein optimierter Einsatz digitaler Lösungen entwickelt. Ziel war es dabei immer auch, das eigene Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen und zukunftssicher neu aufzustellen.

Strategisch neu aufstellen – Unterstützungsangebote nutzen

Beide Ansätze haben ihre Existenzberechtigung. Doch es ist sinnvoll, die strategische Ausrichtung unserer regionalen Wirtschaft und ihre Position im Wettbewerb mit in den Blick nehmen. Darauf zahlen Geschäftsmodellinnovationen oder die Neujustierung digitaler Geschäftsprozesse deutlich mehr und tragender ein als eine Einführung digitaler Tools, um das eigene Businessmodell in die Zeit nach dem Corona-„Big Bang“ hinüber zu retten. Einfache Digitalisierungsaktivitäten sind auch einfach zu replizieren. Sie können kaum Wettbewerbsvorteile ermöglichen, sondern sind meist schlichte Notwendigkeit. Remotearbeit und digitale Events sind fast schon Standard geworden - zur Vorreiterrolle aber nicht geeignet.

Mit einem gelungenen digitalen Strukturwandel in der Region verbunden ist dabei auch ein überregionaler Erfolg der hier entstehenden Dienstleistungen und Produkte. Märkte sind heute weltweit eng verflochten – in mancher Hinsicht fast schon zu eng, wie uns die zu Beginn der Coronakrise auftretenden Engpässe und gestörten Lieferketten gelehrt haben. Zugleich hat die Digitalisierung bereits dafür gesorgt, dass Transaktionskosten minimal und Marktzutrittsbarrieren niedrig geworden sind. Über das Internet können heute ohne großen Aufwand Güter und Dienstleistungen weltweit angeboten werden. Für den oben als Beispiel genannten Übersetzungsdienstleister bedeutet dies nichts geringeres, als dass er in einem zunehmenden internationalen Wettbewerb für Simultan-Übersetzungsdienstleistungen bestehen muss. Könnten sich in solchen Fällen auf breiter Front Lösungen aus dem Saarland durchsetzen, wäre dies ein großer Gewinn für die Region. Das wäre umso wertvoller, als das Saarland neben der aktuellen Coronakrise gerade in der Industrie – besonders bei Stahl und Automotive – riesige strukturelle Herausforderungen bestehen muss.

Zukunftssicher dank Innovation

Regional wie auch bundesweit sind KMU noch eher Nachzügler im Feld der digitalen Geschäftsmodellinnovation. So gesehen wäre eine „zweite Welle“ wünschenswert – wohl gemerkt eine zweite Welle an Innovation. Damit sie an Schwung gewinnen kann, müssen die Unterstützungsangebote zur digitalen Geschäftsmodellinnovation im Land bekannt sein - und sie sollten breit genutzt werden. Die Corona-Krise kann so eine Chance sein, sich strategisch neu aufzustellen und Businessmodelle mit den mittlerweile bestehenden digitalen Instrumenten zu erneuern – oder, noch besser, gänzlich neuartige digitale Angebote auf den Markt zu bringen. Dabei sollten die strategischen politischen Weichenstellungen mit begleitenden Fördermaßnahmen und Vorreiterprojekten auch immer im Blick behalten werden - sei dies Gaia-X, 5G oder Blockchain. Auch im Saarland sind hier einige Potenziale zu heben.

Die Erfahrungen in der Corona-Pandemie zeigen bisher: Unternehmen mit einer klaren Digitalstrategie und modernen Prozessen kommen am besten durch die Krise. Es kann sich daher lohnen, das eigene Unternehmen mit Hilfe bestehender Unterstützungsangebote digital neu aufzustellen. Denn: Digitale Resilienz schafft Zukunftssicherheit – für jedes einzelne Unternehmen im Land, aber auch für unsere ganze Region.  

Die Autoren:
Tobias Greff ist Projektleiter und KI-Trainer am Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Saarbrücken,
Dr. Mathias Hafner ist Geschäftsführer Kommunikation & Digitalisierung in der IHK

Kontakt:
 
www.komzetsaar.de
info@komzetsaar.de
+49 681 85787350