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Das Saarland muss Zuwanderungsland werden!

Standpunkt
von Volker Giersch

01.02.2012

Fachkräfte werden in den nächsten Jahren zunehmend knapp – bundesweit, aber vor allem hier im Saarland. Hauptgrund dafür ist der demografische Wandel, der  hierzulande deutlich stärker ausfällt als anderswo in Deutschland. Bis 2030 wird die Zahl der Saarländer im erwerbsfähigen Alter immerhin um rund ein Fünftel sinken. Wenn wir vermeiden wollen, dass der Fachkräftemangel zur Wachstumsbremse wird, müssen wir frühzeitig und energisch gegensteuern. Und das stärker als andere Regionen.

Dazu ist es zunächst nötig, die Potenziale hier im Land konsequent auszuschöpfen. Wir müssen mehr Frauen für den Arbeitsmarkt gewinnen, ältere Menschen länger beschäftigen, Menschen mit Migrationshintergrund besser in den Arbeitsmarkt integrieren, Abbrecherquoten in Studium und beruflicher Ausbildung reduzieren und die Qualität der Schulen weiter verbessern. Doch das alles wird nicht reichen. Wir brauchen, um die Fachkräftelücke zu schließen, zugleich auch qualifizierte Zuwanderung von außen; dies in der Größenordnung von 30.000 bis 40.000 Fachkräften bis 2030. Nur als Zuwanderungsland wird das Saarland weiterhin überdurchschnittlich wachsen können.

Zu diesem Fazit kommt nicht nur unsere IHK, sondern auch die „Allianz für Fachkräftesicherung“, in der sich Landesregierung, Wirtschafts- und Arbeitnehmerorganisationen und Bundesagentur für Arbeit verpflichten, die Herausforderungen des demografischen Wandels offensiv anzugehen. In dem gemeinsam beschlossenen Strategiepapier zielt deshalb eines der acht Handlungsfelder darauf ab, mehr Fachkräfte von außen zu gewinnen.

Hierzu bedarf es freilich beträchtlicher Anstrengungen. Denn bislang ist das Saarland noch Abwanderungsland. Seit 2005 sind rund 8.000 Personen mehr aus dem Land fortgezogen als zugewandert. Es gab zwar Wanderungsgewinne gegenüber dem Ausland. Diese haben aber nicht ausgereicht, die Wanderungsverluste an andere Bundesländer auszugleichen. Hoffnung macht allein das Jahr 2010, in dem erstmals seit sechs Jahren wieder eine ausgeglichene Wanderungsbilanz erreicht wurde. Ob 2010 bereits eine Trendwende markiert, ist allerdings mehr als fraglich.

Junge Fachkräfte im Land halten

Die anhaltende Abwanderung in andere Bundesländer wiegt umso schwerer, als es sich dabei zumeist um jüngere und gut ausgebildete Arbeitskräfte handelt. Insbesondere Hochschulabsolventen und junge Familien, in denen beide Partner berufstätig sein wollen, fanden und finden in anderen Regionen häufig bessere Beschäftigungschancen. Einer der Gründe dafür ist, dass es hierzulande an Unternehmenszentralen und Entwicklungsabteilungen mangelt und es deshalb zu wenig qualifizierte Arbeitsplätze in Management und Verwaltung, in Forschung und Entwicklung, in Beratung und Dienstleistung gibt. Wir sollten deshalb hier im Land Anreize dafür schaffen, dass den saarländischen Werken künftig zusätzliche Management- und Entwicklungsaufgaben übertragen werden – etwa über die weitere Stärkung der Ingenieurwissenschaften an unseren Hochschulen.

Die Abwanderung bremsen wird ohnedies der demografische Wandel. Bereits bis Ende des Jahrzehnts wird die Zahl der Schulabgänger bei uns um rund ein Viertel sinken – doppelt so stark wie auf Bundesebene. Parallel dazu wird die Nachfrage nach qualifizierten Kräften weiter steigen. Da liegt es auf der Hand, dass sich die Beschäftigungs- und Karrierechancen junger Saarländer hier im Land entsprechend verbessern werden. Der Druck, das Land aus beruflichen Gründen verlassen zu müssen, wird also abnehmen. Die aktuellen Bevölkerungsprognosen gehen deshalb davon aus, dass die Abwanderung in andere Bundesländer abnehmen und gegen Ende des nächsten Jahrzehnts zum Stillstand kommen wird.

Attraktive Studiengänge anbieten

Doch das wird nicht reichen. Mit Blick auf den Fachkräftebedarf der Wirtschaft muss es schon früher gelingen, die Wanderungsbilanz ins Positive zu drehen. Eine Schlüsselrolle kommt dabei unseren Hochschulen zu. Je mehr junge Saarländer sie in Studiengängen ausbilden, die hier im Land gute Berufschancen eröffnen, desto weniger Saarländer werden das Land verlassen müssen, um anderswo zu studieren und zu arbeiten. Und: Je attraktiver die Studiengänge der Saar-Uni, der Hochschule für Technik und Wirtschaft oder auch der Akademie der Saarwirtschaft sind und je besser sie in den bundesweiten und europäischen Rankings abschneiden, desto mehr Nicht-Saarländer werden interessiert sein, hier im Land zu studieren.

Letzteres eröffnet saarländischen Unternehmen dann eine vorzügliche Chance, Kontakte über Bachelor- und Masterarbeiten oder über Praktika zu knüpfen und die Absolventen hier im Land zu binden. Dieser Weg verspricht Erfolg. Denn alle Erfahrung lehrt, dass es weitaus leichter ist, Studenten mit attraktiven Studienangeboten ins Land zu locken als nicht saarländische Akademiker von außen für unsere Wirtschaft zu gewinnen.

Vor diesem Hintergrund ist die künftige Entwicklung unserer Hochschulen von besonderer Bedeutung. Wir brauchen rasch ein klares Zielbild, das festlegt, wo die Schwerpunkte in Forschung und Lehre künftig liegen sollen. Eine Orientierung am Bedarf in unserem Lande ist dabei ebenso wichtig wie der weitere Aufbau von Exzellenz in ausgewählten Bereichen. Die Hochschulen sind heute bereits ein wichtiger Standortfaktor. Sie können mit Blick auf die demografische Herausforderung künftig noch wichtiger werden: als Anziehungspunkt für kluge Köpfe von außen.

In den Standort investieren

Zugleich gilt es natürlich, die Lebensbedingungen in unserem Land attraktiv zu halten und – da wo möglich – weiter zu verbessern. Dazu gehören ein weiterhin reichhaltiges und vielfältiges Kulturangebot, eine familienfreundliche Arbeitswelt, lebendige Innenstädte, die Einkaufserlebnis bieten, attraktive Wohngebiete und nicht zuletzt auch Schulen, die im Qualitätsvergleich mit anderen Bundesländern gut abschneiden. Hinzu kommen müssen öffentliche Leitinvestitionen wie Stadtmitte am Fluss, die private Investitionen anstoßen und so mit Hebelwirkung für zusätzliche Attraktivität sorgen.

Die besondere Herausforderung für unser Land liegt darin, bei alldem mit bescheidenen Budgets auszukommen. Das setzt voraus, dass wir in der Landespolitik die richtigen Prioritäten setzen und auch die Kommunen mit in die Planung einbeziehen. Denn gerade auch dort entscheidet sich, wie gut es sich in unserem Land leben lässt. Eine von vielen Chancen liegt darin, die Überangebote, die es derzeit noch im Bereich von Schwimmbädern, Sporteinrichtungen und Hallen gibt, zügig abzubauen und die frei werdenden Mittel in eine Qualitätsoffensive zu investieren. Besser wenige Bäder, die attraktiv sind und sich rechnen als viele Bäder, die renovierungsbedürftig sind und hohe Defizite produzieren. „Mehr Klasse, weniger Masse“ muss die Devise also heißen. Der Weg dahin erfordert in jedem Falle eines: Mehr arbeitsteilige Kooperation zwischen den Gemeinden.

Offensives Saarland-Marketing starten

Ein weiteres Problem, das wir energisch angehen müssen, ist das Image-Problem, unter dem unser Land nach wie vor leidet. Wir Saarländer wissen, dass es sich hier im Land gut leben lässt. Menschen von außerhalb, die einen neuen Arbeits- und Lebensstandort suchen, wissen es zumeist nicht. Schlimmer noch: Sie haben vielfach ein Negativbild von unserem Land, das durch Klischees wie „provinziell“, „hoch verschuldet“, „umweltbelastet“ und „montan strukturiert“ geprägt wird. Umso wichtiger ist es, diese Imagelücke möglichst rasch zu schließen.

In dem französischen Film „Willkommen bei den Sch’tis“ heißt ein Schlüsselsatz: „Wer zu uns (ins Nord Pas de Calais) versetzt wird, weint zweimal: wenn er zuzieht und wenn er wieder fortziehen muss.“ Genau so ist es auch hier im Saarland. Und das gilt es, authentisch zu vermitteln.

Dazu nötig ist ein offensives und nachhaltiges „Saarland-Marketing“. Das sieht auch die Ministerpräsidentin so, die diese Aufgabe kürzlich zur Chefsache gemacht hat. Unsere IHK, aber auch HWK und VSU haben erneut zugesagt, sich konzeptionell und finanziell zu beteiligen. Es macht Sinn, die Kräfte zu bündeln. Denn der Aufbau einer positiv besetzten „Marke Saarland“ ist ein aufwändiger und langwieriger Prozess. Und die Erfolgschancen sind umso größer, je besser es gelingt, die Unternehmen und Bürger einzubinden und zu Botschaftern für ihr Land zu machen.

Konzeptionell fangen wir nicht bei Null an. Die im Frühjahr 2009 durchgeführte Kampagne „Unternehmen Saarland“ hat gezeigt, dass es zwischen Landesregierung und Wirtschaftsorganisationen breite Übereinstimmung bei Zielen und Kernbotschaften gibt und dass viele Unternehmen bereit sind, sich aktiv in das Marketing für ihren Standort einzubringen. Zudem wurden in mehreren Workshops unter Leitung von Prof. Esch bereits Leitgedanken für ein Markenprofil entwickelt. Der Marketingclub Saar hat zugesagt, sich in Kürze mit ergänzenden Ideen, Anregungen und Hinweisen einzubringen. Darauf lässt sich dann aufbauen.

Was jetzt zügig folgen muss, sind Entscheidungen über das bereitzustellende Budget und über die organisatorische Umsetzung. Anschließend ist eine professionelle Agentur damit zu beauftragen, eine auf mehrere Jahre angelegte Kommunikationsstrategie zu entwickeln, die dann die Basis für künftige Initiativen und Kampagnen bildet.

All das ist unverzichtbare Wachstumsvorsorge für unser Land und gehört deshalb auf die Agenda der neu zu bildenden Landesregierung. Die Zeit drängt. Denn wir brauchen qualifizierte Zuwanderung bereits in diesem Jahrzehnt; dies gerade auch mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft, die bei der Gewinnung von Fachkräften zumeist größere Schwierigkeiten hat als größere Unternehmen mit bekannten Namen.