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Den Standort Deutschland stärken. Für eine Agenda 2020

Standpunkt
von Volker Giersch

01.09.2013

Die Bundestagswahl steht kurz vor der Tür. Ihr Ausgang entscheidet maßgeblich darüber mit, welchen Weg der Wirtschaftsstandort Deutschland in den kommenden vier Jahren nehmen  wird. Richtig und wichtig wäre es, an den Erfolgen der vergangenen zehn Jahre anzuknüpfen. In dieser Zeitspanne ist es unserem Land auf eindrucksvolle Weise gelungen, neue Kraft zu sammeln und seine internationale Wettbewerbsfähigkeit spürbar zu verbessern. Deutschland – einst der „kranke Mann Europas“ – ist heute Vorreiter bei Innovation, Export und Beschäftigung. Reformen in der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik haben dazu ebenso beigetragen wie eine beschäftigungsorientierte Lohnpolitik.

Inzwischen mehren sich indes die Anzeichen, dass wir das mühevoll Gewonnene wieder leichtfertig aufs Spiel setzen. Bei den Verkehrswegen – den Lebensadern unserer Volkswirtschaft – beobachten wir einen schleichenden Substanzverzehr. Die Haushaltsmittel, die für Investitionen bereit stehen, reichen bei weitem nicht aus, das Vorhandene instand zu halten. Bei der Energiewende, die mit breitem Konsens beschlossen worden ist, kommen wir nur zögerlich voran. Kräftig steigende Strompreise sind die Folge. Sie belasten die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und dämpfen die Konsumfähigkeit der privaten Haushalte. Zudem droht uns – je nach Wahlausgang – in nächster Zeit eine gefährliche Rolle rückwärts in der Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik. Höhere Einkommensteuersätze, Verschärfung der Erbschaftsteuer, Einführung einer Vermögensteuer bzw. –abgabe, flächendeckende gesetzliche Mindestlöhne heißen die Stichworte.

Solche Reformen, die letztlich auf mehr Staat und mehr Umverteilung zielen, würden uns vom Erfolgskurs abbringen. Nötig ist stattdessen eine auf Investitionen und Wachstum gerichtete Standortpolitik – konkretisiert in eine Agenda 2020, die die wichtigsten wirtschaftspolitischen Handlungsfelder umfasst und der Wirtschaft eine klare Orientierung gibt.

Das Steuersystem muss Investitionen und Wachstum stimulieren

Mit Blick auf die Staatsfinanzen ist zunächst festzustellen: Der Staat hat hierzulande kein Einnahmeproblem. Das Steueraufkommen liegt auf Rekordniveau. Ein weiterer Anstieg ist fest programmiert. Bis 2017 sollen die Steuereinnahmen auf 700 Milliarden Euro steigen – gegenüber 2009 immerhin ein Plus von gut 35 Prozent. Dafür sorgt u. a. die kalte Progression bei der Einkommensteuer. Wir brauchen deshalb keine höheren Steuern, sondern klare Prioritäten – und Posterioritäten – bei den Staatsausgaben.

Höhere Steuern auf Einkommen, Vermögen und auch Erbschaften haben in aller Regel starke unerwünschte Nebenwirkungen. Sie dämpfen das Wachstum, vernichten Arbeitsplätze, treiben Kapital ins Ausland und schmälern so letzten Endes auch die Steuerbasis. Ob am Ende mehr für den Staat herauskommt, ist höchst ungewiss.

Die dämpfenden Effekte werden dabei umso größer sein, je stärker die Steuererhöhungen auch unsere mittelständische Wirtschaft treffen und dort an die Substanz gehen. Die vorgeschlagenen Freibeträge und Freigrenzen können zwar helfen, die Mehrbelastung zu begrenzen, nicht aber sie zu vermeiden. Der DIHK rechnet mit einem Verlust von 450.000 Arbeitsplätzen allein bei Einführung einer Vermögensteuer. Unsere Position ist deshalb klar: Steuererhöhungen darf es nicht geben – vor allem solche nicht, die die Wirtschaft zusätzlich belasten und deren Investitionskraft schmälern.

Stattdessen gehört das Thema „grundlegende Vereinfachung des Steuersystems“ endlich wieder auf die Agenda. Denn unser viel zu komplexes und kaum noch durchschaubares Steuerrecht bindet Heerscharen kluger und qualifizierter Köpfe unproduktiv in Finanzämtern, Finanzgerichten, Anwaltskanzleien und Unternehmen. Mit Blick auf den demografischen Wandel brauchen wir diese Köpfe dringender denn je in den produktiven Bereichen unserer Wirtschaft und Gesellschaft. Nicht nur in der Einkommensteuer, auch bei der Mehrwertsteuer ist die Liste abstruser Regelungen und gefährlicher Fallstricke allzu lang und der vorgeschriebene Kontroll- und Dokumentationsaufwand viel zu hoch. Die Frage, welche Produkte und Leistungen künftig mit dem vollen und welche mit dem reduzierten Satz besteuert werden, sollte endlich anhand klarer und schlüssiger Kriterien entschieden werden. Insgesamt gilt: Die Steuerpolitik bietet riesige Spielräume zum Abbau unnötiger Bürokratie. Nutzen wir sie!

Dringlich bleiben überdies Reformen in der Unternehmensbesteuerung – etwa bei der Gewerbesteuer. Hier ist die Hinzurechnung von Mieten, Pachten, Leasingraten und Zinsaufwendungen wieder abzuschaffen. Denn sie wirkt de facto als Substanzbesteuerung.

Den Arbeitsmarkt flexibel halten

Angesichts starker Schwankungen in der weltweiten Nachfrage, ist unsere exportorientierte Wirtschaft in ganz besonderer Weise auf einen flexiblen Arbeitsmarkt angewiesen. Das bedeutet nicht zuletzt auch: Sie benötigt die Zeitarbeit weiter als Flexibilitätspuffer, ebenso wie Werkverträge und befristete Beschäftigungsverhältnisse. Hier darf es deshalb keine weitere Regulierung geben.

Negativ für den Arbeitsmarkt wäre insbesondere auch die Einführung eines gesetzlich verankerten Mindestlohns. Gerade für einfache Tätigkeiten würden die Arbeitskosten dadurch zum Teil beträchtlich steigen und die Arbeitslosigkeit nach oben treiben. Davon betroffen wäre gerade jene Gruppe auf dem Arbeitsmarkt, die ohnedies die geringsten Arbeitsmarktchancen hat: die Geringqualifizierten. Das kann niemand ernsthaft wollen. Denn es wäre zutiefst unsozial. Für Geringqualifizierte ist es allemal besser, einen Großteil ihres Lebensunterhalts selbst zu verdienen als ganz auf Transferzahlungen angewiesen zu sein. Und genau das wäre vielfach die Folge eines gesetzlichen Mindestlohns.

Falsch und unredlich ist in diesem Kontext die Behauptung, Mindestlöhne seien ein probates Mittel gegen den Missbrauch und die viel zu hohe Zahl der so genannten Aufstocker. Arbeitsmarktexperten rechnen uns plausibel vor, dass die Zahl der Aufstocker nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro bestenfalls von derzeit gut 1,3 Millionen auf 1,2 Millionen sinken würde. Und bei den verbleibenden 100.000 wäre fraglich, ob sie bei deutlich höheren Arbeitskosten weiter in Arbeit bleiben können.

Es bleibt deshalb bei unserer Einschätzung: Mindestlöhne würden weitaus mehr schaden als nützen. Wir sollten nicht riskieren, dass eine größere Zahl geringqualifizierter Menschen wieder arbeitslos wird. Wie hoch das Risiko ist, zeigt der Blick in jene Länder, in denen es bereits gesetzliche Mindestlöhne gibt: Dort, wo die Mindestlöhne relativ hoch sind, ist auch die Arbeitslosigkeit – insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit – sehr hoch. In Frankreich sind 26 Prozent der jungen Menschen arbeitslos, in Belgien 22 Prozent, in Irland 31 Prozent, in Großbritannien 21 Prozent, im Krisenland Spanien gar 56 Prozent.

Die Energiewende meistern

Die Energiewende wird auch in den kommenden Jahren eine zentrale Baustelle bleiben. Umfragen der IHKs zeigen, dass bereits über ein Drittel der Unternehmen negative Auswirkungen auf ihre Wettbewerbsfähigkeit spürt. Bei den Industrieunternehmen ist es sogar über die Hälfte. Vor allem bei den Strompreisen wird der Nachteil gegenüber konkurrierenden Unternehmen im Ausland zunehmend größer.

Die künftige Bundesregierung sollte sich deshalb möglichst umgehend vornehmen, den Anstieg der Stromkosten wirksam zu begrenzen. Zudem ist mit Blick auf die stromintensive Industrie ein hohes Maß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Erforderlich sind dazu u. a. ein beschleunigter Netzausbau, ein kurzfristiges Auslaufen der festen Einspeisevergütungen und nicht zuletzt ein Aufweichen des absoluten Einspeisevorrangs.

Mehr in die Verkehrswege investieren

Der Verkehrsetat ist in Deutschland – trotz LKW-Maut, Mineralölsteuer und anderen Verkehrsabgaben – seit Jahren chronisch unterfinanziert. Jahr für Jahr fehlen vier bis fünf Milliarden Euro. Die Folge: Unsere Verkehrswege verkommen. Tausende Kilometer Straßen sowie zahlreiche Bahnstrecken und Wasserwege sind sanierungsbedürftig. Viele Brücken sind alt und marode. Es gibt Lücken im Gleisnetz. Viele Schleusen sind zu klein und zu alt. Zahl, Länge und Dauer der Staus auf unseren Straßen wachsen von Jahr zu Jahr. All das sollte sich ein reiches, hoch entwickeltes Industrieland nicht leisten. Denn unsere Verkehrswege sind die Lebensadern unserer Volkswirtschaft. Ihr Zustand entscheidet maßgeblich über Produktivität und Wachstumsdynamik unserer Unternehmen.

Die neue Bundesregierung sollte das Verkehrsbudget deshalb bedarfsgerecht aufstocken. Dazu sind Umschichtungen von den konsumtiven in die investiven Haushaltsbereiche nötig. Innerhalb des Verkehrsbudgets sind klare Prioritäten zu setzen. Als Prinzip muss dabei gelten: Vorfahrt für Sanierung, Modernisierung und Engpassbeseitigung, Nachrang für Prestigeprojekte. Und: Gesamtwirtschaftlicher Nutzen vor Länderproporz.

Entscheidend ist zudem, dass alle Spielräume, die Genehmigungen von Verkehrsprojekten deutlich beschleunigen, konsequent genutzt werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass zeitraubende Redundanzen im Planungsrecht weder zu mehr Umweltschutz noch zu mehr Akzeptanz bei den Bürgern führen. Um die nötige breite Akzeptanz zu erreichen, sollten Staat und Wirtschaft künftig offensiver für dringend erforderliche Verkehrsinvestitionen werben.

Für die kommenden vier Jahre brauchen wir eine Bundesregierung, die all diese Herausforderungen offensiv angeht und den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiv und wettbewerbsfähig hält. Dann kann und wird die deutsche Wirtschaft auch im weiteren Verlauf des Jahrzehnts robust wachsen und zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Möge es so kommen.