Sprungmarken zu den wichtigsten Seitenabschnitten


Suche Hauptnavigation A-Z Übersicht Hauptinhalt Servicelinks

Internetpräsentation IHK Saarland - Partner der Wirtschaft


Positionen

Kennzahl: 17.9554

Europa sei Dank …

Standpunkt
von Volker Giersch

01.06.2013

Der Euro hat ein Akzeptanzproblem. Schlimmer noch: Die Europäische Union und der gesamte Prozess der Europäischen Integration haben ein Akzeptanzproblem. Nicht nur in Deutschland. Und nicht erst seit der jüngsten Krise. Aber die Krise hat weiteres Vertrauen zerstört. Sie hat vor allem im Norden des Kontinents die Sorge genährt, dass Europa zunehmend von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Transferunion mutiert und dass wirtschaftlich gesunde Länder wie Deutschland zum Zahlmeister dieser Veranstaltung werden. Fast jeder vierte Deutsche kann sich inzwischen bereits vorstellen, eine Partei zu wählen, deren Programm sich praktisch in einem Satz erschöpft: „Schluss mit dem Euro“.
Das ist besorgniserregend. Denn mit dem Abschied vom Euro würden wir weit mehr verlieren als nur eine gemeinsame Währung. Wir würden den Kurs der europäischen Integration verlassen oder ihn gar umkehren. Mehr Protektionismus, ein Abwertungswettlauf in Europa, der Verzicht auf dringend nötige Strukturreformen, noch höhere Staatsschulden und mehr Inflation in vielen Ländern Europas wären die absehbaren Folgen. Deutschland würde eine solche Entwicklung mit besonderer Härte treffen. Auch wenn viele es nicht wahrhaben wollen: Deutschland war und ist Hauptprofiteur der wirtschaftlichen Integration Europas. Mehr noch: Wir haben Europa einen wesentlichen Teil unseres hohen Wohlstandes zu verdanken. Aus dem Euro auszusteigen hieße, diesen Wohlstand leichtfertig aufs Spiel zu setzen und Millionen von Arbeitsplätzen zu gefährden.
Deshalb haben wir allen Grund, den Menschen in unserem Land in aller Klarheit zu sagen: Europa ist mühsam, Europa ist anstrengend. Und Europa verlangt auch das eine oder andere Opfer. Aber es gibt keine bessere Alternative. Europa fordert und verdient unser Bemühen – aus einer Vielzahl von Gründen:

Zunächst haben wir es der europäischen Einigung zu verdanken, dass wir seit knapp sieben Jahrzehnten in einer Zeit des Friedens leben. Die Zeiten, in denen wir unseren Nachbarn mit Argwohn begegnen, sind längst vorbei. Die EU-Länder sind zu einer Schicksalsgemeinschaft zusammen gewachsen, in der jedes Land profitiert, wenn es seinen Nachbarn gut geht. Gerade auch der Beitritt zahlreicher osteuropäischer Länder hat sich in diesem Sinne als wirksame Friedenssicherung erwiesen. Aus dem Malus, der einst mit unserer Lage am Eisernen Vorhang verbunden war, ist deshalb längst ein Bonus geworden: Unser Land profitiert mehr als andere vom wirtschaftlichen Austausch mit den aufstrebenden Ländern Osteuropas.

… erreicht unsere Wirtschaft 450 Millionen Verbraucher ohne Zollbarrieren

Insgesamt kann unsere Wirtschaft dank des europäischen Binnenmarktes inzwischen rund 450 Millionen Verbraucher mit Gütern und Dienstleistungen beliefern – ohne Zollbarrieren, ohne Währungsrisiken und fast frei auch von nicht-tarifären Handelshemmnissen. Denn die weitreichende Anwendung des Ursprungslandprinzips stellt sicher, dass die Unternehmen ihre Produkte nicht mehr den unterschiedlichen Rechtsnormen der Mitgliedsstaaten anpassen müssen. Das fördert den Wettbewerb, vergrößert das Marktvolumen, senkt die Stückkosten und verbessert so zugleich die Chancen auf den außereuropäischen Märkten.
Im vergangenen Jahrzehnt hat unsere Wirtschaft dank einer beschäftigungsorientierten Tarifpolitik und der Agenda 2010 deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen. Der Euro sichert diese Wettbewerbsfähigkeit ab und schafft die Grundlage dafür, dass rund 60 Prozent der deutschen Exporte in die Mitgliedsstaaten der EU gehen. Anders gewendet: Ohne eine gemeinsame Währung wäre es zu Währungsturbulenzen und zu einer spürbaren Aufwertung der D-Mark gegenüber anderen europäischen Währungen gekommen. Das hätte die Exportchancen unserer Wirtschaft innerhalb Europas spürbar gedämpft.

… sind unsere Unternehmen auch weltweit sehr erfolgreich

Der Euro stärkt zugleich auch unsere Wettbewerbsposition außerhalb des Euro-Raumes. Denn er ist aufgrund der strukturellen und konjunkturellen Probleme in Südeuropa zurzeit relativ niedrig bewertet. Davon profitiert unsere exportorientierte Wirtschaft. Hätten wir noch die D-Mark, dann – so schätzen Experten – wäre unsere Währung um 20 oder 30 Prozent höher bewertet. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie wäre spürbar geringer. Und: Ohne den Euro hätten wir derzeit gewiss auch höhere Zinsen hier in Deutschland und entsprechend höhere Finanzierungskosten für Staat und Unternehmen.
Von der fortschreitenden Integration in
Europa hat insbesondere auch das Saarland profitiert. Dank des Wegfalls der Grenzkontrollen und der Handels- und Währungsbarrieren ist es in den vergangenen Jahrzehnten mehr und mehr vom nationalen Rand in die europäische Mitte gerückt. Das Saarland ist heute mehr denn je das europäischste deutsche Bundesland. 65,5 Prozent der Saar-Exporte gehen in die EU. Zahlreiche saarländische Unternehmen haben Niederlassungen in Frankreich und umgekehrt sind mehrere Unternehmen hier im Land in französischer Hand. Nicht zu vergessen: Dank der EU ist der Arbeitsmarkt in der Großregion mehr und mehr zusammen gewachsen. Rund 19.000 Lothringer pendeln täglich ins Saarland ein und verdienen hier ihr Geld.
Schließlich hat die Wirtschafts- und Währungsunion auch das Einkaufen jenseits der nationalen Grenzen wesentlich erleichtert und die Voraussetzungen für den grenzübergreifenden Tourismus spürbar verbessert. Nicht zuletzt freut sich der Handel über die wachsende Zahl an Kunden aus Frankreich und Luxemburg.

Die Webfehler der Währungsunion korrigieren!

All das sollten wir uns vor Augen halten, wenn es um die Zukunft Europas und des Euro geht. Gewiss hat die Währungsunion einige Webfehler. Aber die lassen sich korrigieren. Und dabei gibt es bereits auch sichtbare Fortschritte.
  • Viele europäische Länder sind unserem Beispiel gefolgt und haben eine Schuldenbremse in ihre Verfassung aufgenommen.
  • Die aufgespannten Rettungsschirme und die Zusage der EZB, den Euro zu verteidigen, haben der Spekulation den Wind aus den Segeln genommen.
  • Die Gestaltung eines funktionsfähigen Ordnungsrahmens für unsere Banken und der Aufbau einer Bankenunion gehen in die richtige Richtung. Bis zur Sommerpause will die Europäische Kommission ihren Vorschlag zur Bankenabwicklung vorlegen. Ziemlich weit fortgeschritten sind bereits auch die Bestrebungen zur Harmonisierung der europäischen Einlagensicherung.
  • In den südeuropäischen Ländern beginnen die eingeleiteten Strukturreformen zu greifen. Sinkende Lohnstückkosten verbessern die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Mehr Wettbewerb und erfolgreiche Privatisierung sorgen für mehr Innovationskraft. In Ländern wie Griechenland und Spanien steigen die Exporte bereits wieder an.
  • Zu begrüßen ist zudem, dass einige Euro-Länder mit Blick auf die bedrückend hohe Jugendarbeitslosigkeit Reformen ihrer Ausbildungssysteme in Angriff nehmen wollen. Als Vorbild gilt das hierzulande so erfolgreiche System der dualen Ausbildung. Zu Recht: Es ist eine Trumpfkarte des Wirtschaftsstandortes Deutschland und es würde auch in Südeuropa neue Wachstumschancen schaffen.
Entscheidend ist jetzt, den eingeschlagenen Kurs konsequent fortzuführen. Denn dann gibt es keine überzeugenden Gründe mehr, unsere Gemeinschaftswährung aufzugeben und zu nationalen Währungen zurückzukehren. Denkbar und möglich scheint allenfalls, dass ein, zwei oder drei Länder den Euro vorübergehend - notfalls auch dauerhaft - verlassen, um über eine Währungsabwertung schneller ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. Das freilich wäre weder für Europa, noch für den Euro ein GAU. Es wäre, wenn es sich geordnet vollzieht, allenfalls eine befristete „Betriebsstörung“. Oder positiv gesehen vielleicht gar die Chance, im Verbund der verbleibenden Euro-Länder noch schneller voran zu kommen.
In der Gesamtschau gibt es für uns Deutsche also viele gute Gründe, überzeugende und verlässliche Europäer zu bleiben und an der gemeinsamen Währung festzuhalten. Wir sollten uns deshalb offensiv und mit Nachdruck zu Europa und zum Euro bekennen. Und wir sollten all denen, die einseitig die Risiken hervorheben, die vielfältigen Chancen, die Europa bietet, entgegen halten. Die europäische Idee hat Rückenwind und eine breite Akzeptanz verdient.