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Mehr Europa, mehr Selbstverantwortung

Von DIHK-Präsident Hans Heinrich Driftmann
Kolumne

01.08.2012

Die derzeitige Finanz- und Schuldenkrise verdeckt leider zu sehr, dass Europa mehr ist als der Euro und seine wirtschaftlichen Vorteile. Schließlich ist mit der Europäischen Union untrennbar auch das Ziel verbunden, nach den schrecklichen Erfahrungen der Weltkriege dauerhaft Frieden in Europa und der Welt zu wahren. So hat uns Europa ein wiedervereinigtes Deutschland erst ermöglicht. Auch von der Einführung eines gemeinsamen Binnenmarktes und einer gemeinsamen Währung hat Deutschland in hohem Maße profitiert.

Gleichwohl wurde auch in der IHK-Organisation seinerzeit über das Für und Wider des Euro intensiv diskutiert. Mein Vorgänger, Ludwig Georg Braun, hat immer wieder die Notwendigkeit eines stringenten Stabilitätspaktes betont und auf die Risiken hingewiesen, die mit einer Aufweichung der Stabilitätskriterien einhergingen. Leider waren unsere Befürchtungen berechtigt: Bis zum Herbst 2010 wurde die Defizitgrenze insgesamt in 97 Fällen überschritten - auch durch Deutschland. In keinem Fall waren Sanktionen die Folge! Doch ökonomische Gesetzmäßigkeiten können auch durch politische Entscheidungen nicht außer Kraft gesetzt werden. Wer sie auf Dauer missachtet und damit über seine Verhältnisse lebt, erhält über kurz oder lang die Quittung. Bei uns in Europa liegt diese Quittung in Form zu hoher öffentlicher und/oder privater Verschuldung jetzt auf dem Tisch.

Für die akute Krisenbewältigung gibt es keine Blaupause. Und wer keine Blaupause hat, ist gut beraten, Schritt für Schritt die Lösung anzugehen. Die Politik hat in den vergangenen Monaten und Jahren viele – sicher auch nicht leichte – Entscheidungen getroffen. Insgesamt kann ich diese Maßnahmen nachvollziehen, hätte eine Ansteckung über die Finanzmärkte doch dramatische Folgen mit sich bringen können. Allerdings belaufen sich die Haftungsrisiken, die allein Deutschland übernommen hat, inzwischen auf über 300 Milliarden Euro. Das entspricht etwa einem Siebtel der jährlichen Wirtschaftskraft Deutschlands. Im Haftungsfall würde die derzeitige Verschuldung entsprechend ansteigen. Ich kann verstehen, dass diese Größenordnungen vielen Menschen Angst machen. Auch mir machen diese Entwicklungen Sorgen.

Wir Unternehmer wissen jedoch: Nicht-Handeln kann im Zweifel das größere Risiko darstellen. So wäre ein unkalkulierbares Auseinanderbrechen der Euro-Zone ein mindestens ebenso bedrohliches Szenario. Unrealistisch ist allerdings auch die Vorstellung, dass Deutschland Europa alleine retten kann.

Mittel- bis längerfristig kommt es entscheidend darauf an, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dies kann den Staaten Europas nur mit einer Politik der Wahrhaftigkeit gelingen – einer Politik ohne neue Schulden und einer Politik, die den Bürgern reinen Wein einschenkt. Strenge Haushaltsdisziplin und Reformanstrengungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit liegen dabei in nationaler Verantwortung. Mir ist klar, dass manche Länder noch einen langen und steinigen Weg vor sich haben. Wenn die Staaten ihren Durchhaltewillen unter Beweis stellen, wird ein solcher Reformprozess vom Markt aber mit einem besseren Bonitätsurteil belohnt. Niedrige Zinssätze lassen sich eben nicht über die Vergemeinschaftung der Schulden wie z.B. durch Eurobonds erzielen. Daher beunruhigen mich Stimmen, die in einer europäischen Transfer- oder gar Haftungsunion eine Dauerlösung sehen. Vor einer zeitlich unbefristeten Unterstützung einzelner Eurostaaten oder einer dauerhaften gesamtschuldnerischen Haftung kann ich nur warnen.

Die aktuelle Situation in Europa macht deutlich, dass wir in Zukunft in vielen Bereichen eine andere Art der europäischen Zusammenarbeit brauchen. Im Kern geht es um eine Rückbesinnung auf das Prinzip der Subsidiarität und damit auf die Frage, welche Aufgaben Europa besser erfüllen kann und welche nicht. Gerade in Bereichen, die nicht an Landesgrenzen halt machen, wie Finanzmärkte oder Klimapolitik, sind Lösungen auf europäischer Ebene gefragt. Daher kann ich die Planungen in Richtung einer Bankenunion vom Grundsatz verstehen. Mit einer europäischen Finanzaufsicht und einem Bankenrettungs- und Abwicklungsfonds werden die richtigen Themen auf europäischer Ebene verortet. Dabei muss sichergestellt sein, dass der Fonds von den Finanzinstituten selbst finanziert wird, denn nur dann fallen Handlung und Haftung zusammen. Auch kann eine solche Bankenunion nur langfristig greifen. Im Schadensfall einen Fonds auf Gegenseitigkeit einzuführen, funktioniert nicht.

Wir sollten auch innerhalb unserer Organisation und in unseren Vollversammlungen schon bald eine Diskussion darüber führen, wie die Wachstums- und Währungsunion künftig ausgestaltet wird.