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Ohne Zukunftskonzept wird es nicht gehen

Standpunkt
Von Volker Giersch

01.04.2014

Das Ende des Jahrzehnts rückt näher und damit auch die Zeit, in der das Land keine neuen Schulden mehr machen darf. Bereits jetzt erfordert die Einhaltung der Schuldenbremse viele harte Einschnitte. Die wirklich schwierigen Jahre stehen aber noch bevor. Und es wird immer deutlicher: Wir brauchen rasch eine ganzheitliche, in sich schlüssige Strategie, um die richtigen strukturellen Entscheidungen treffen zu können und das Land so auf Erfolgskurs zu halten. Deshalb an dieser Stelle einmal mehr der Appell an die Landesregierung, ein Zukunftskonzept „Saarland 2020“ zu entwickeln.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Mit Zukunftskonzept gemeint ist nicht ein wolkiges, semantisch überhöhtes Drei-Seiten-Papier, sondern ein strategisches Konzept, das alle wichtigen Handlungsfelder der Landespolitik umfasst und konkret aufzeigt, wie sich das Land – trotz der gebotenen Einsparungen – weiterhin erfolgreich im Wettbewerb der Regionen behaupten kann. Es muss überzeugende Antworten darauf geben, wie wir den Wirtschafts- und Industriestandort Saarland konkurrenzfähig halten wollen, was zu tun ist, um das Saarland als Wohn- und Freizeitstandort attraktiv zu halten, wo wir bei den Investitionen Prioritäten setzen wollen, wie wir den öffentlichen Dienst im Land so organisieren, dass er zu den effizientesten in Deutschland zählt oder auch wie wir die Nachteile der Kleinheit durch stärkere Kooperation mit unseren Nachbarregionen wettmachen wollen.

An Ideen, Vorschlägen und Teilkonzepten zu alledem mangelt es nicht. Auch unsere IHK bringt sich ja in vielen Bereichen mit Rat und Tat ein. Es fehlt bislang aber ein Gesamtkonzept, das die einzelnen Lösungsansätze zu einem stimmigen Ganzen zusammen fügt. So wie wir es beim Thema Fachkräftesicherung gemacht haben. Da ist aus einer gründlichen Analyse eine umfassende Strategie mit einer Vielzahl von Maßnahmen entstanden.

In das Konzept einfließen muss zuallererst, was wir selbst tun wollen, um erfolgreich zu bleiben – die Summe unserer Eigenbeiträge also. Enthalten sein muss aber auch, was flankierend an Beiträgen dazu von außerhalb erforderlich ist: eine gute Einbindung des Landes in die europäischen Verkehrsnetze etwa, eine wirtschaftsfreundliche und effiziente Umsetzung der Energiewende, eine investitionsfreundliche Steuerpolitik, die unsere Industrie nicht überfordert, ein angemessenes Maß an Bundespräsenz oder auch eine faire Ausgestaltung des Länderfinanzausgleichs. Klar werden muss in jedem Fall, dass die Zukunftschancen unseres Landes entscheidend auch durch wirtschafts- und standortpolitische Entscheidungen auf Bundesebene bestimmt werden. Die Bundespolitik ist insofern mit in der Verantwortung. Das gilt es aufzuzeigen und einzufordern, wobei die Erfolgschancen umso größer sind, je überzeugender unsere eigenen Beiträge sind.

Über Erfahrungen mit regionalpolitischen Konzepten mit berechtigten Forderungen an den Bund verfügt unser Land ja reichlich. Erinnern wir uns etwa an das „Strukturprogramm Saar“ Ende der 60er Jahre und die zahlreichen Saar-Memoranden. In den 70er Jahren wurde in der Staatskanzlei – von einer dafür gebildeten Planungsgruppe – gar ein „Landesentwicklungsprogramm“ mit einer 10-Jahres-Agenda erstellt. Leider verschwand es in der Schublade.

Positive Perspektive aufzeigen!

Heute brauchen wir ein solches Programm dringend – deshalb auch, weil es mehr denn je darauf ankommt, für das Land eine positive Perspektive aufzuzeigen. Selbst in Zeiten der Schuldenbremse ist das durchaus möglich. Immerhin stehen dem Land und seinen Kommunen bis Ende des Jahrzehnts – je Einwohner gerechnet – fast gleich hohe Einnahmen zur Verfügung wie den übrigen Bundesländern: Bis zum Durchschnittswert fehlen gerade einmal drei Prozent.

Schwer wiegen dagegen die gravierenden Probleme auf der Ausgabenseite des Haushalts. Denn die überbordenden und weiter steigenden Zins- und Versorgungslasten engen den Handlungsspielraum der Regierung über die Maßen ein. Bereits heute liegen sie um gut 400 Millionen Euro über dem Länderschnitt. Klar ist: Diese Hypothek kann das Land nicht aus eigener Kraft stemmen.

Deshalb sollte das Zukunftskonzept von der Prämisse ausgehen, dass Bund und Länder gegen Ende des Jahrzehnts einen Altlastenfonds auflegen, der Haushaltsnotlagenländer wie das Saarland und Bremen zumindest von den überbordenden Zinslasten befreit. Nur so haben diese Länder auch in Zeiten der Schuldenbremse faire Chancen im Wettbewerb der Regionen. Eine solche weitere Solidarhilfe wird freilich nur zu haben sein, wenn das Land zuvor alle Möglichkeiten der Selbsthilfe voll ausschöpft.

Das ist freilich nur ein Grund, warum wir ein tragfähiges Zukunftskonzept brauchen. Erforderlich ist es auch aus anderen gewichtigen Gründen:

Erstens als Orientierung und Motivation für Bürger und Unternehmen, sich aktiv an der Zukunftsgestaltung des Landes zu beteiligen. Angesichts der angespannten Finanzlage von Land und Kommunen ist ein solches Engagement dringend nötig. Denn unser Land wird selbst nach Entlastung durch einen Altschuldenfonds weniger Geld ausgeben können als die meisten anderen Länder. Das gilt es, durch verstärktes gesellschaftliches Engagement der Bürger und der Wirtschaft auszugleichen. Kurzum: Das Saarland muss Vorreiterland beim Mitmachen werden. Das Zukunftskonzept muss dazu die nötigen Impulse geben und Mitmachchancen aufzeigen.

Zweitens brauchen wir ein solches Konzept als Flankierung des kürzlich gestarteten Saarland-Marketings. Angesichts des knappen Budgets kann dieses Marketing nur funktionieren, wenn es gelingt, die Menschen und Unternehmen zu Botschaftern für ihr Land zu machen. Und hier gilt: Nur wer selbst an eine gute Zukunft des Landes glaubt, kann nach außen hin ein glaubwürdiger Botschafter sein. Das Zukunftskonzept muss hierzu das richtige Fundament schaffen.

Drittens schließlich ist ein schlüssiges Konzept nötig, um daraus Prioritäten für die Haushaltsgestaltung des Landes ableiten zu können. Nur wenn wir Saarländer uns darüber im Klaren sind, auf welche Strategie wir setzen und auf welche Stärken wir bauen wollen, können wir fiskalisch die richtigen Entscheidungen treffen. Wir müssen uns vorrangig auf die Ausgaben und Aufgaben konzentrieren, die für den Erfolg des Landes von besonderer Bedeutung sind. Oder anders gesagt: Je enger das Finanzkorsett geschnitten ist, desto passgenauer muss der Landeshaushalt die Entwicklungsstrategie abbilden.

Finanzplanung muss bis 2020 reichen

Klar sein sollte in jedem Fall, dass als Ergänzung zum Zukunftskonzept eine umfassende und verlässliche Finanzplanung nötig ist, die bis 2020 reicht. Zwar ist die Landesregierung gesetzlich nur verpflichtet, drei Jahre über den jeweiligen Haushaltsplan hinaus zu planen. Doch hätte eine längerfristige Planung gewichtige Vorteile:

Wir konnten anhand konkreter Zahlen nachweisen, dass sich die 400 Millionen Euro hohen Mehrausgaben für Zinsen und Versorgung nicht durch entsprechende Minderausgaben bei Investitionen, Personal, Hochschulen, Schulen und Soziales kompensieren lassen – jedenfalls nicht, ohne dass das Land standortpolitisch ins Abseits geraten würde. Zudem würde deutlich, dass es zu einer nachhaltigen Entlastung schon bald kommen müsste, damit wir die Konsolidierungsauflagen bis Ende des Jahrzehnts einhalten können.

Positiv gewendet könnte die Finanzplanung überzeugend belegen, dass das Land nach entsprechender Entlastung durchaus zukunftsfähig wäre. Die durch Zahlen fundierte Botschaft an den Bund und die übrigen Länder hieße: „Das Saarland ist eigenständig überlebensfähig, wenn es von den Hypotheken der Vergangenheit befreit wird. Eine Strategie, die nachhaltigen Erfolg verspricht, liegt auf dem Tisch.“

Politisch hätte eine Finanzplanung 2020 überdies den Vorteil, dass die zermürbende Spardiskussion nur einmal geführt werden müsste statt alle Jahre wieder. Gewiss würde die Vorlage einer soliden Planung im Land heftige Diskussionen auslösen. Viele Interessengruppen würden laut lamentieren und Widerstand formieren, sobald offenbar wird, wie stark sie betroffen sein werden. Doch würden die Hiobsbotschaften alle zeitgleich treffen, was gleich in zweierlei Hinsicht hilfreich wäre: Zum einen würde deutlich werden, dass alle den Gürtel enger schnallen müssen und dass es insofern gerecht zugeht im Land. Die eigene Betroffenheit wäre relativiert. Zum anderen würde das Lamento der Einzelnen im Lamento aller kaum Gehör finden und rasch verpuffen. Dies umso mehr, als die Medien Probleme hätten, die Vielzahl der Abwehrargumente umfassend zu transportieren.

Transparenter Fahrplan bis 2020

Bleibt zu guter Letzt die Feststellung, dass die politische Konstellation derzeit günstig ist. Denn wer anders als eine große Koalition hätte die nötige Kraft und den Mut, einen solchen Prozess zu steuern? Durch die Offenlegung der Finanzplanung 2020 wäre dabei für die Diskussion eine klare Regel vorgegeben: Wer für höhere Ausgaben an einer Stelle plädiert, muss sagen, wo an anderer Stelle gespart werden soll. Denn das Haushaltsvolumen liegt ja insgesamt fest. Es ginge also letztlich um ein Nullsummenspiel und mithin um Prioritäten und Posterioritäten.

Am Ende der Diskussion läge ein transparenter Fahrplan bis zum Ende des Jahrzehnts vor. Es gäbe keinen Anlass mehr für den alljährlichen Sterbegesang „Wir sparen uns tot“. Das Motto hieße stattdessen: Es gibt viel zu tun, wenn wir überleben wollen. Packen wir es an.