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Die Chance Mittelstand

Von Volker Giersch
Kommentar

01.10.2006

Der Mittelstand ist nach wie vor das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Er stellt die Mehrzahl der Arbeits- und Ausbildungsplätze. Seine Vorzüge – Schnelligkeit, Flexibilität, Innovationskraft – werden in Reden und Programmen immer wieder gepriesen. Und in schöner Regelmäßigkeit folgt das Bekenntnis, dass die Rahmenbedingungen für die kleinen und mittleren Unternehmen verbessert werden müssen, damit diese ihre Tugenden voll entfalten können.

Leider folgen dieser Einsicht allzu selten Taten. Diese sind aber bitter nötig. Nach wie vor wird der Mittelstand durch die Regulierungswut des Staates, durch unzureichende Finanzierungsmöglichkeiten und eine zu hohe Steuerlast in seiner Entfaltung behindert. Das schmerzt gerade in einer Zeit, in der der Mittelstand ohnedies einen schweren Stand hat. In den meisten Branchen prägen Konzentrationstendenzen und ein scharfer Verdrängungswettbewerb das Geschehen. Nahezu überall - in der Industrie, im Handel und im Hotelgewerbe - sind Ketten und Konzerne auf dem Vormarsch. Kleine und mittlere Unternehmen können sich oftmals nur behaupten, wenn sie sich auf Marktnischen konzentrieren oder in Verbünden zusammenschließen.

Nachteile beseitigen

Umso wichtiger ist es, endlich jene Nachteile zu beseitigen, die die Entwicklung der mittelständischen Wirtschaft hemmen:

Dazu zählen zunächst die hohen Bürokratielasten, die die kleinen Unternehmen weitaus stärker treffen als die großen. Während Betriebe mit mehr als 500 Beschäftigten durchschnittliche Bürokratiekosten von 150 Euro je Arbeitsplatz zu verkraften haben, ist die Last für Kleinunternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten mehr als zehn Mal so hoch. Ein beherzter Bürokratieabbau und Fortschritte bei der Deregulierung sind deshalb gerade für den Mittelstand von besonderer Bedeutung. Sie könnten dort zusätzliche Kräfte für Innovation und Markterschließung frei machen.

Hinzu kommt, dass der Zugang zu risikotragendem Kapital für kleine Unternehmen noch immer schwierig ist. Während sich Großunternehmen über die Kapitalmärkte – über Aktien oder Obligationen – finanzieren können, bleibt kleinen und mittleren Unternehmen vielfach nur die Finanzierung aus eigener Kraft oder die Inanspruchnahme von Krediten. Wir müssen deshalb die Voraussetzungen dafür schaffen, dass privates Anlagekapital verstärkt als Beteiligungskapital in die mittelständische Wirtschaft fließt – über die Beteiligung von Mitarbeitern, von Privatpersonen oder von spezialisierten Fonds. Siehe USA.

Schließlich leiden kleine und mittlere Unternehmen in besonderem Maße unter der hohen Steuerlast, die unser Land der Wirtschaft nach wie vor aufbürdet. Anders als die größeren Unternehmen haben sie kaum die Möglichkeit, die Gewinne durch intelligente Steuergestaltung ins Ausland zu verlagern. Die Chancen, die zumeist dünne Eigenkapitaldecke zu stärken und Investitionen aus eigener Kraft zu finanzieren, sind entsprechend gering. Deshalb ist es wichtig, die anstehende Unternehmenssteuerreform und die Erbschaftssteuerreform mittelstandsfreundlich auszugestalten.

Fortschritte in all diesen Bereichen sind weitaus wichtiger als teure Subventionsprogramme. Was der Mittelstand braucht und will, ist die Chance auf einen fairen Wettbewerb mit größeren Unternehmen, in dem er seine Vorzüge erfolgreich ausspielen kann. Nicht mehr und nicht weniger.

Gezielte Unterstützung...

Auf Länderebene ist der Mittelstand längst ins Zentrum der regionalen Strukturpolitik gerückt – so auch im Saarland. Hier steht inzwischen ein breites Förderinstrumentarium bereit, das die Nachteile bei den Rahmenbedingungen zum Teil ausgleicht. Unter der Federführung des Wirtschaftsministeriums bilden IHK, Handwerkskammer, SIKB und ZPT ein leistungsfähiges Netzwerk. Während es in anderen Bundesländern konkurrierende Einrichtungen gibt, sind die Angebote im Saarland komplementär. Sie sind aufeinander abgestimmt und ergänzen sich.

... bei Gründung

Existenzgründern bietet die „Saarland Offensive für Gründer“ (SOG) umfassende Unterstützung in der gesamten Startphase. Information, Beratung, Coaching, Qualifizierung und Finanzhilfen sind die wichtigsten Stichworte. Unser IHK-Gründerzentrum, die Business Angels, die Saarländische Investitionskreditbank (SIKB) und die Wirtschaftsfördergesellschaften der Kreise sind wichtige Anlaufstellen. Sie bieten eigene Leistungen an und arbeiten im Verbund arbeitsteilig zusammen. Erfolge zeichnen sich bereits ab: Die Unternehmerlücke im Saarland wird kleiner.

... Innovation

Auch für Unternehmen, die neue Produkte und Verfahren entwickeln und auf den Markt bringen, gibt es vielfältige Hilfen. Sie reichen von der Information über Märkte, Technologien und Schutzrechte, über Kooperationsangebote von Hochschulen und Forschungseinrichtungen bis hin zu Netzwerken auf Branchenebene und Zuschüssen zur Prototypentwicklung.

... Markterschließung

Wenn es um die Erschließung neuer Absatzmärkte im Ausland geht, greift die Außenwirtschaftsförderung. Sie umfasst – neben umfangreichen Beratungsangeboten – Gemeinschaftsstände auf internationalen Messen, Kooperationsbörsen und Markterkundungsreisen, die gemeinsam von Wirtschaftsministerium, ZPT und IHK organisiert und betreut werden. Da, wo es Sinn macht, gibt es gemeinsame Angebote mit Rheinland-Pfalz. Gemessen an der Größe des Landes ist das Angebot im Saarland sehr breit und die Inanspruchnahme durch die Unternehmen sehr hoch.

... und Finanzierung

Für die Wachstumsfinanzierung unverzichtbar sind vielfach die Finanzierungshilfen, die als zinsverbilligte Kredite, als Beteiligungen, als Bürgschaften oder als Zuschüsse gewährt werden. Erste Adresse ist hier die SIKB, die sich inzwischen sehr offensiv und kundenorientiert aufgestellt hat.

In all diesen Bereichen braucht unser Land den Vergleich mit anderen Bundesländern nicht zu scheuen. Mehr noch: Es liegt hinsichtlich Effizienz und Wirksamkeit in der Spitzengruppe der Länder. Und wir sollten alles daran setzen, diese Position in Zukunft zu verteidigen. Unsere IHK wird nach Kräften dazu beitragen.

Ein Makel sind und bleiben freilich die hohen Gewerbesteuerhebesätze in den meisten saarländischen Städten und Gemeinden. Sie entziehen insbesondere auch den mittelständischen Unternehmen Kapital, das in Investitionen, Produktentwicklung und Markterschließung weit besser angelegt wäre. Deshalb bleibt es bei unserem IHK-Appell: Runter mit den Hebesätzen!

... plus Standortaufwertung

All dies gehört zu einer regionalen Wirtschaftspolitik, die auf die Chance Mittelstand setzt. Fahrlässig wäre es allerdings, darüber die Belange der Größeren aus dem Auge zu verlieren. Denn diese sichern über ihre Aufträge an Zulieferer und Dienstleister zahlreiche Arbeitsplätze in der mittelständischen Wirtschaft. Die Verflechtung zwischen Groß-, Mittel- und Kleinbetrieben ist heute stärker denn je. Deshalb brauchen wir als Basis eine konsequente Politik der Standortaufwertung, die ein günstiges Umfeld für die Wirtschaft im Ganzen schafft. Und mehr Sensibilität dafür, dass jede Regulierung den Mittelstand überproportional belastet. Nur dann kann die gezielte Unterstützung der Mittelstandsförderung den gewünschten Erfolg bringen.