Die Dynamik erhalten
Politik darf sich nicht auf den Lorbeeren ausruhen
Von Dr. Richard Weber, Präsident IHK Saarland
Kolumne
01.10.2003
Unser Land hat aufgeholt
Die Statistik spricht eine eindeutige Sprache. So ist das Bruttoinlandsprodukt an der Saar zwischen 2000 und 2002 um 1,8 Prozent gewachsen. Im Bundesschnitt betrug der Anstieg lediglich magere 0,8 Prozent. Gleichzeitig entstanden hierzulande über 2000 zusätzliche Beschäftigungsverhältnisse; im Bund gingen dagegen rund 300.000 Arbeitsplätze verloren. Die Arbeitslosenquote war Ende letzten Jahres rund ein Prozentpunkt geringer als im Bund. Nur Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz hatten eine niedrigere Quote als das Saarland. Schließlich gab es deutlich mehr Ausbildungsplätze und erheblich weniger Insolvenzen als anderswo.
Dass sich unsere Wirtschaft in den zurückliegenden Jahren relativ günstig entwickelt hat, ist vor allem der saarländischen Industrie gutzuschreiben. Sie hat sich in wichtigen Kernbereichen besser geschlagen als im Bund. Dies gilt vor allem für den Fahrzeugbau, die Automatisierungstechnik und die Stahlindustrie. Viele Unternehmen – auch aus anderen Branchen – liegen mit ihren Produkten gut im Markt. Beigetragen zur relativen Stärke des Saarlandes haben aber auch einige Dienstleistungsbereiche – so etwa die Versicherungswirtschaft, die unternehmensnahen Dienstleister und einige Hightech-Bereiche.
Besseres Wirtschaftsklima – aber . . .
Auch die Politik hat ihren Anteil daran. Sie hat das Wirtschaftsklima verbessert und den Standort durch wirtschaftfreundlichere Formen, wie etwa die Senkung der Gewerbesteuerlast, aufgewertet. Bei aller Freude über die Anerkennung von außen gibt es allerdings keinen Anlass, sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Nach den bisher vorliegenden Zahlen für die ersten sechs Monate diesen Jahres ist es keineswegs ausgemacht, dass das Saarland seinen Weg auf der Überholspur fortsetzen kann. Im Gegenteil: In Industrie und Bauwirtschaft etwa verlief die Umsatzentwicklung im ersten Halbjahr deutlich ungünstiger als im Bund. Auch die Dienstleistungsbereiche an der Saar konnten mit der Bundesentwicklung nicht mehr Schritt halten. Entsprechend fiel auch das Wachstum in der ersten Jahreshälfte deutlich schwächer aus als in Westdeutschland.
Die Landesregierung hat daher allen Anlass, in ihrem Reformeifer nicht nachzulassen. Konkret erwartet die Wirtschaft etwa, dass
- die Qualitätsoffensive in der Bildungspolitik weiter forciert wird
- die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinden eingeschränkt wird
- die Gewerbesteuerhebesätze weiter gesenkt werden und dass schließlich
- der Weiterbildungsurlaub abgeschafft oder zumindest hälftig mit Urlaubsansprüchen der Arbeitnehmer verrechnet wird.
Gerade jetzt, wo sich die Hoffnungen auf eine allmähliche Belebung langsam wieder verstärken, braucht die Wirtschaft deutliche Signale. Auch andere Bundesländer haben inzwischen erkannt, dass sie ihren Unternehmen bessere Standortbedingungen bieten müssen, um im Wettbewerb der Regionen nicht zurückzufallen. Ein Nachlassen des Reformtempos oder gar ein Stillstand würde deshalb schon bald Rückschritt für das Saarland bedeuten. Freuen wir also über das Erreichte. Begreifen wir die derzeitige „Delle“ als sanfte Mahnung. Vergessen wir vor allem nicht, jetzt den Grundstein zu legen für die Erfolge von morgen.