Ein Masterplan für die Schulpolitik
IHK schlägt schulpolitische Reformagenda für die nächsten
zehn Jahre vor
26.06.2006
Mit der vor einigen Jahren eingeleiteten Qualitätsoffensive
Bildung habe die Landesregierung bereits damit begonnen, die
Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Erste Erfolge seien
jetzt schon erkennbar. So habe sich etwa der Anteil der
Jugendlichen ohne Schulabschluss in wenigen Jahren fast halbiert.
„Allerdings ist noch immer jeder siebte Jugendliche, der eine
duale Ausbildung anstrebt, nur bedingt ausbildungsfähig. Das kann
und darf nicht so bleiben!“, so der IHK-Präsident. „Deshalb
brauchen wir jetzt rasch weitere Fortschritte, wenn das Saarland
im Wettbewerb der Regionen mithalten oder sogar weiter an Boden
gewinnen soll.“ Denn auch andere Bundesländer hätten die
Bildungspolitik als Schlüsselgröße ihrer Zukunftsfähigkeit
erkannt.
Zu den Kernelementen eines schulpolitischen Masterplans
gehören nach Auffassung der IHK:
-
Mehr Freiheit und Wettbewerb
Hier gehe es darum, den Schulen Zug um Zug mehr Eigenverantwortung zu übertragen und mehr Wettbewerb zwischen den Schulen zuzulassen. Nach einem Zeitraum von zehn Jahren sollten alle saarländischen Schulen eigenverantwortlich darüber entscheiden können, wie sie ihr Budget gestalten, welche Lehrer sie einstellen, welchen Fächerkanon sie jenseits der Kernfächer anbieten und mit welchen pädagogischen Konzepten sie ihren Schülern Fähigkeiten, Wissen und Können vermitteln.Der vor wenigen Tagen von Kultusminister Jürgen Schreier angekündigte Modellversuch „Selbständigkeit von Schulen“ sei ein wichtiger Schritt in diese Richtung. „Wir begrüßen diesen Schritt ausdrücklich“, so Dr. Weber, „allerdings hätten wir uns insgesamt einen breiteren Ansatz und ein höheres Tempo gewünscht: Die Einbeziehung von mehr Schulen, größere Spielräume für jede einzelne Schule und einen festen Zeitplan, bis wann alle saarländischen Schulen nach der neuen Organisationsform arbeiten sollen.“ Die IHK regt deshalb an, einen Stufenplan mit einzelnen Etappen und einem festen Endziel aufzustellen. Dabei soll es den Schulen überlassen bleiben, die einzelnen Etappen auch früher zu erreichen als in dem festen Zeitplan vorgesehen. „Schließlich erfordern solche organisatorische Veränderungen Lernprozesse bei allen Beteiligten“, so Dr. Weber. „Ein Modell mit variablen Geschwindigkeiten würde es den Langsameren erlauben, von den Schnelleren zu lernen und von deren Erfahrung zu profitieren.“
-
Lernen schon im Kindergarten
Spätestens im dritten Kindergartenjahr müsse damit begonnen werden, vorschulische Inhalte zu vermitteln; so könnten die Kinder spielerisch und ohne Druck frühzeitig auf den neuen Lebensabschnitt Schule vorbereitet werden. Hier sei die Landesregierung bereits auf gutem Wege. „Konsequent wäre es allerdings, dieses Vorschuljahr dann auch für alle Kinder verpflichtend zu machen“, so Dr. Weber, „mit der Übernahme der Elternbeiträge durch das Land ist der erste Schritt dazu ja bereits getan.“ -
Frühere Einschulung
Nach Auffassung der IHK ist das derzeitige Einschulungsalter im Saarland wie in Deutschland insgesamt deutlich zu hoch. In kaum einem anderen Land würden die Kinder so spät eingeschult wie in Deutschland. Die IHK schlägt deshalb vor, das Einschulungsalter schrittweise zu senken. „Wenn wir das Alter der Schulpflicht in jedem Jahr auch nur einen Monat senken, haben wir in weniger als zehn Jahren das Niveau unserer europäischen Nachbarn erreicht – ohne zusätzliche Ausgaben und ohne jedes Organisationsproblem“, so der IHK-Präsident. -
Förderung sprachferner Schüler
Ein wachsender Anteil der Schüler beherrscht die deutsche Sprache nicht mehr ausreichend; viele haben Deutsch niemals als Muttersprache gelernt. Ein ausreichendes Sprachverständnis ist aber die Grundvoraussetzung für das Erlernen aller weiteren Wissensinhalte. „Was in diesen Jahren versäumt wird, lässt sich aber kaum jemals wieder nachholen“, so Dr. Weber. „Deshalb müssen diese Defizite möglichst frühzeitig behoben werden – in „ Sprachenklassen“, die bereits im Kindergarten beginnen und in den Grundschulen fortgesetzt werden.“ -
Mehr Chancengerechtigkeit durch Ganztagsbetreuung
Die IHK spricht sich dafür aus, das Angebot an Ganztagsangeboten im Saarland auszubauen. Ziel sei es, die Schwachen zu fördern und die Starken zu fordern. Dies sei nicht nur ein Gebot sozialer Gerechtigkeit; es gehe auch darum, das vorhandene Potenzial der Jugendlichen bestmöglich auszuschöpfen. Dazu müsse aber der Schwerpunkt einer Ganztagsbetreuung bei der Vermittlung von Wissen und Können liegen – nicht bei Betreuung und Aufbewahrung. Dr. Weber: „Dazu brauchen wir Lehrer und Pädagogen. Die notwendigen Mittel lassen sich aus Einsparungen finanzieren, die wir aufgrund der demographischen Entwicklung im Grundschulbereich realisieren können. Im Übrigen halten wir auch einen angemessen Elternbeitrag für zumutbar.“ -
Für eine duale Lehrerausbildung
Schließlich hält die IHK eine Reform der Lehrerausbildung für notwendig. Angesichts zunehmender Erziehungsdefizite und wachsender Ausländeranteile seien die Lehrer vor Herausforderungen gestellt, auf die sie bisher nicht ausreichend vorbereitet wurden. Die IHK schlägt deshalb vor, die Ausbildung der Lehrer nach Altersgruppen zu differenzieren und in enger Kooperation zwischen Hochschule und ausbildender Schule zu organisieren. „Wir müssen unsere Lehrer für ihre schwerer werdende Aufgabe bestmöglich rüsten, wenn sie gleichzeitig Defizite ausgleichen und neben Wissen auch Werte, Tugenden und soziale Kompetenz vermitteln sollen.“ Dazu gehöre es auch, den Lehrern wieder die notwendigen Disziplinierungsmittel an die Hand zu geben.