Für eine Innovationspolitik aus einem Guss
Standpunkt
von Volker Giersch
01.07.2012
Innovationen sind der wohl wichtigste Wachstumstreiber in hochentwickelten Volkswirtschaften. Für eine Politik, die auf nachhaltiges Wachstum zielt, bedeutet das: Sie muss mit Priorität dafür Sorge tragen, dass das Innovationsklima stimmt, dass das Bildungssystem den Forschergeist und die Kreativität der Menschen fördert, dass es leistungsfähige Hochschulen und Forschungseinrichtungen gibt und dass der Rechtsrahmen und das Steuersystem innovationsfreundlich sind. Bund und Länder sind hier gleichermaßen gefordert. Vom Bund erwarten die IHKs u. a. ein innovationsfreundlicheres Steuerrecht, schlankere Verfahren in der Forschungsförderung und die Belebung des Wagniskapitalmarktes.
Im Saarland ist die Innovationspolitik seit Beginn der großen Koalition Chefsache. Die Staatskanzlei ist jetzt zugleich auch Ministerium für Wissenschaft und Innovation. Sie ist zuständig für die Entwicklung unserer Hochschulen, für die außeruniversitären Forschungsinstitute, aber auch für die einzelbetriebliche Innovationsförderung – sprich für die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen im Innovationsprozess.
Grundlage der Innovationspolitik im Saarland bildet seit gut 10 Jahren eine „Innovationsstrategie“ der Landesregierung. Die erste Innovationsstrategie wurde – eine Parallele zu heute – in der Staatskanzlei erarbeitet und kurz nach der Jahrtausendwende vorgelegt. Damals standen fast ausschließlich die sogenannten „neuen Technologien“ im Fokus: die Informations- und Kommunikationstechnologie und die Nano-Biotechnologie. Hinzu kam – weil aller guten Dinge drei sind – der Schwerpunkt „Wissen“, von dem niemand so recht wusste, was eigentlich gemeint war. In der IHK waren wir damals wenig begeistert. Denn wir waren der Auffassung, dass die gesamte Wirtschaft in den Fokus der Innovationspolitik gehört und nicht nur wenige ausgewählte Branchen und Technologien. IT und Nano sind gewiss zukunftsträchtige Branchen. Aber sie haben hier im Land nach wie vor ein eher bescheidenes Strukturgewicht.
Gut war deshalb, dass wenige Jahre später eine deutlich breiter angelegte Innovationsstrategie II folgte. Im Mittelpunkt standen Innovationsimpulse für den Mittelstand, die Stärkung der Ingenieurwissenschaften an unseren Hochschulen, der Aufbau eines Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZEMA) und der Ausbau des Branchennetzwerks Healthcare. Das Wirtschaftsministerium, das jetzt zuständig war, hatte in die Erarbeitung der Strategie rund 100 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung eingebunden – ein insgesamt guter Ansatz, der in den Jahren danach auch gute Ergebnisse brachte.
Innovation beginnt in Kindergärten und Schulen
Was wir jetzt brauchen ist eine Innovationsstrategie III. Sie muss zeitlich bis zum Ende des Jahrzehnts reichen, alle wesentlichen Bereiche umfassen und kompatibel sein mit den Sparzwängen, unter denen das Land steht. Es geht deshalb weniger darum, kostspielige neue Projekte zu ersinnen als vielmehr darum, vorhandene Strukturen gezielt weiterzuentwickeln und Prioritäten neu zu setzen. Zu suchen sind schlüssige Antworten auf folgende Fragen:
Erstens: Wie kann es in den Kindergärten und Schulen gelingen, die Neugier, den Forscherdrang und die Kreativität unserer Kinder bestmöglich zu fördern? Und: Wie können wir junge Menschen bereits frühzeitig für Technik begeistern? Das ist Voraussetzung dafür, dass in Zukunft genügend Jugendliche Ingenieur- und Naturwissenschaften studieren oder technische Berufe erlernen wollen.
Entwicklungsplanungen für Hochschulen …
Zweitens: In welche Richtung wollen wir unsere Hochschulen weiterentwickeln? Gerade in Zeiten knappen Geldes kommt es darauf an, klare Prioritäten zu setzen. Gut ist deshalb, dass sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag explizit zur „politischen Verantwortung für die strategische Entwicklung unserer Hochschulen“ bekannt hat. „Insbesondere auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten“, heißt es dort weiter, „muss in Abstimmung mit den Hochschulen entschieden werden, welche Angebote fortgeführt und weiterentwickelt oder zur Disposition gestellt werden müssen. Wir wollen vermeiden, dass lineare Einsparungen zu Qualitätseinbußen führen.“ Dem ist voll und ganz zuzustimmen.
Diesen Worten sollten jetzt rasch Taten folgen. Land und Hochschulen müssen sich schnellstmöglich auf eine verbindliche Entwicklungsplanung 2025 für die Saar-Hochschulen verständigen, in der die Natur- und Ingenieurwissenschaften ein prioritärer Schwerpunkt in Forschung und Lehre bleiben. Denn diese Disziplinen sind wichtige Impulsgeber für Wachstum und Strukturwandel in unserer Wirtschaft. Mit ihrer Zusage, vier Stiftungsprofessuren im Bereich Mechatronik zu finanzieren – je zwei an Uni und HTW – leisten IHK und ME Saar dazu bereits einen substanziellen Eigenbeitrag. Kürzungspläne, wie sie an der Universität diskutiert werden, gehören schnellst möglich in die Schublade; sie verunsichern nicht nur betroffene Professoren, sondern mehr noch die Studenten und Studieninteressierten.
… und Forschungsinstitute auch an Landesinteressen orientieren
Drittens gehört auch die Weiterentwicklung der außeruniversitären Forschungsinstitute in den Fokus. Diese Institute leisten in der Forschung Beachtliches und verleihen unserem Land zudem überregionalen Glanz. Doch weisen ihre Forschungsschwerpunkte bislang nur geringe Schnittflächen mit den Technologieschwerpunkten unserer Wirtschaft auf. Kooperationen und Projekte mit saarländischen Unternehmen sind deshalb eher selten. Umso wichtiger ist es, eingehend zu prüfen, wie die Forschungsprofile der Institute in Zukunft weiterentwickelt werden sollen – nicht zuletzt im Hinblick auf den regionalwirtschaftlichen Bedarf. Keine Frage: Die Landesregierung hat hierauf zumeist nur einen mittelbaren Einfluss. Dennoch macht es Sinn, diesen Einfluss konsequent und gezielt zu nutzen, um die Basis für Technologietransfer in die Saarwirtschaft hinein zu verbreitern.
Am größten ist der Einfluss des Landes naturgemäß bei Instituten, die vorwiegend oder ganz aus Landesmitteln finanziert werden. Das gilt etwa für das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZEMA), dessen Leistungsspektrum bereits heute gut zum Bedarfsprofil unserer produzierenden Wirtschaft passt. Unsere IHK und ME Saar sind bereit, den Ausbau des ZEMA weiter zu unterstützen.
Viertens lässt sich der Technologietransfer auch dadurch intensivieren, dass die Schnittstellen zwischen Hochschulen und Wirtschaft optimiert werden. Technologieorientierte Unternehmen stehen zunehmend vor Herausforderungen und Problemen, die sich nur interdisziplinär lösen lassen. Notwendig sind deshalb Anlaufstellen für die Wirtschaft, die in der Lage sind, entsprechende Verbundprojekte zu managen. Daran mangelt es bislang noch. Gut ist deshalb, dass sich unter dem Label „caMPlusQ“ jetzt Wissenschaftler aus den Bereichen Materialwissenschaft und Werkstofftechnik zusammengeschlossen haben, um eine solche Verbundstruktur zu schaffen. Ansätze wie diesen brauchen wir auch für andere wirtschaftsnahe Hochschulbereiche.
Innovationen im Mittelstand weiter fördern
Fünftens ist die Innovationsförderung des Landes, die sich unmittelbar an Unternehmen richtet, gezielt weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen. Trotz aller Sparzwänge muss gewährleistet bleiben, dass die saarländische Wirtschaft gegenüber ihrer Konkurrenz in anderen Ländern nicht ins Hintertreffen gerät. Denn für den industriellen Mittelstand im Land gilt nach wie vor: Es stimmt zwar die Klasse, aber es mangelt noch an Masse. Insofern besteht weiterhin strukturpolitischer Handlungsbedarf.
Zu begrüßen ist in diesem Kontext der geplante Ausbau der Zentrale für Produktivität und Technologie (ZPT) zu einem Zentrum für Wirtschafts-, Innovations- und Standortförderung (ZEWIS). Die Bündelung der Kräfte bei dieser gemeinsam von Landesregierung und Wirtschaft getragenen Einrichtung spart dem Land Ressourcen und den Unternehmen unnötige Wege. Jetzt gilt es, die Ausbauschritte rasch zu konkretisieren und die Finanzierung auf der Zeitschiene zu sichern.
Auf all diesen Themenfeldern lassen sich gewiss auch isolierte Lösungen finden. Allerdings wäre das Ergebnis dann alles andere als optimal. Denn Vieles hängt mit Vielem zusammen. Gefragt ist deshalb ein stimmiges Gesamtkonzept, das alle wichtigen Handlungsfelder umfasst und allen Akteuren bis Ende des Jahrzehnts die nötige Orientierung gibt. Kurzum: Wir brauchen eine Innovationsstrategie III.
Im Saarland ist die Innovationspolitik seit Beginn der großen Koalition Chefsache. Die Staatskanzlei ist jetzt zugleich auch Ministerium für Wissenschaft und Innovation. Sie ist zuständig für die Entwicklung unserer Hochschulen, für die außeruniversitären Forschungsinstitute, aber auch für die einzelbetriebliche Innovationsförderung – sprich für die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen im Innovationsprozess.
Grundlage der Innovationspolitik im Saarland bildet seit gut 10 Jahren eine „Innovationsstrategie“ der Landesregierung. Die erste Innovationsstrategie wurde – eine Parallele zu heute – in der Staatskanzlei erarbeitet und kurz nach der Jahrtausendwende vorgelegt. Damals standen fast ausschließlich die sogenannten „neuen Technologien“ im Fokus: die Informations- und Kommunikationstechnologie und die Nano-Biotechnologie. Hinzu kam – weil aller guten Dinge drei sind – der Schwerpunkt „Wissen“, von dem niemand so recht wusste, was eigentlich gemeint war. In der IHK waren wir damals wenig begeistert. Denn wir waren der Auffassung, dass die gesamte Wirtschaft in den Fokus der Innovationspolitik gehört und nicht nur wenige ausgewählte Branchen und Technologien. IT und Nano sind gewiss zukunftsträchtige Branchen. Aber sie haben hier im Land nach wie vor ein eher bescheidenes Strukturgewicht.
Gut war deshalb, dass wenige Jahre später eine deutlich breiter angelegte Innovationsstrategie II folgte. Im Mittelpunkt standen Innovationsimpulse für den Mittelstand, die Stärkung der Ingenieurwissenschaften an unseren Hochschulen, der Aufbau eines Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZEMA) und der Ausbau des Branchennetzwerks Healthcare. Das Wirtschaftsministerium, das jetzt zuständig war, hatte in die Erarbeitung der Strategie rund 100 Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung eingebunden – ein insgesamt guter Ansatz, der in den Jahren danach auch gute Ergebnisse brachte.
Innovation beginnt in Kindergärten und Schulen
Was wir jetzt brauchen ist eine Innovationsstrategie III. Sie muss zeitlich bis zum Ende des Jahrzehnts reichen, alle wesentlichen Bereiche umfassen und kompatibel sein mit den Sparzwängen, unter denen das Land steht. Es geht deshalb weniger darum, kostspielige neue Projekte zu ersinnen als vielmehr darum, vorhandene Strukturen gezielt weiterzuentwickeln und Prioritäten neu zu setzen. Zu suchen sind schlüssige Antworten auf folgende Fragen:
Erstens: Wie kann es in den Kindergärten und Schulen gelingen, die Neugier, den Forscherdrang und die Kreativität unserer Kinder bestmöglich zu fördern? Und: Wie können wir junge Menschen bereits frühzeitig für Technik begeistern? Das ist Voraussetzung dafür, dass in Zukunft genügend Jugendliche Ingenieur- und Naturwissenschaften studieren oder technische Berufe erlernen wollen.
Entwicklungsplanungen für Hochschulen …
Zweitens: In welche Richtung wollen wir unsere Hochschulen weiterentwickeln? Gerade in Zeiten knappen Geldes kommt es darauf an, klare Prioritäten zu setzen. Gut ist deshalb, dass sich die Landesregierung im Koalitionsvertrag explizit zur „politischen Verantwortung für die strategische Entwicklung unserer Hochschulen“ bekannt hat. „Insbesondere auch unter strukturpolitischen Gesichtspunkten“, heißt es dort weiter, „muss in Abstimmung mit den Hochschulen entschieden werden, welche Angebote fortgeführt und weiterentwickelt oder zur Disposition gestellt werden müssen. Wir wollen vermeiden, dass lineare Einsparungen zu Qualitätseinbußen führen.“ Dem ist voll und ganz zuzustimmen.
Diesen Worten sollten jetzt rasch Taten folgen. Land und Hochschulen müssen sich schnellstmöglich auf eine verbindliche Entwicklungsplanung 2025 für die Saar-Hochschulen verständigen, in der die Natur- und Ingenieurwissenschaften ein prioritärer Schwerpunkt in Forschung und Lehre bleiben. Denn diese Disziplinen sind wichtige Impulsgeber für Wachstum und Strukturwandel in unserer Wirtschaft. Mit ihrer Zusage, vier Stiftungsprofessuren im Bereich Mechatronik zu finanzieren – je zwei an Uni und HTW – leisten IHK und ME Saar dazu bereits einen substanziellen Eigenbeitrag. Kürzungspläne, wie sie an der Universität diskutiert werden, gehören schnellst möglich in die Schublade; sie verunsichern nicht nur betroffene Professoren, sondern mehr noch die Studenten und Studieninteressierten.
… und Forschungsinstitute auch an Landesinteressen orientieren
Drittens gehört auch die Weiterentwicklung der außeruniversitären Forschungsinstitute in den Fokus. Diese Institute leisten in der Forschung Beachtliches und verleihen unserem Land zudem überregionalen Glanz. Doch weisen ihre Forschungsschwerpunkte bislang nur geringe Schnittflächen mit den Technologieschwerpunkten unserer Wirtschaft auf. Kooperationen und Projekte mit saarländischen Unternehmen sind deshalb eher selten. Umso wichtiger ist es, eingehend zu prüfen, wie die Forschungsprofile der Institute in Zukunft weiterentwickelt werden sollen – nicht zuletzt im Hinblick auf den regionalwirtschaftlichen Bedarf. Keine Frage: Die Landesregierung hat hierauf zumeist nur einen mittelbaren Einfluss. Dennoch macht es Sinn, diesen Einfluss konsequent und gezielt zu nutzen, um die Basis für Technologietransfer in die Saarwirtschaft hinein zu verbreitern.
Am größten ist der Einfluss des Landes naturgemäß bei Instituten, die vorwiegend oder ganz aus Landesmitteln finanziert werden. Das gilt etwa für das Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZEMA), dessen Leistungsspektrum bereits heute gut zum Bedarfsprofil unserer produzierenden Wirtschaft passt. Unsere IHK und ME Saar sind bereit, den Ausbau des ZEMA weiter zu unterstützen.
Viertens lässt sich der Technologietransfer auch dadurch intensivieren, dass die Schnittstellen zwischen Hochschulen und Wirtschaft optimiert werden. Technologieorientierte Unternehmen stehen zunehmend vor Herausforderungen und Problemen, die sich nur interdisziplinär lösen lassen. Notwendig sind deshalb Anlaufstellen für die Wirtschaft, die in der Lage sind, entsprechende Verbundprojekte zu managen. Daran mangelt es bislang noch. Gut ist deshalb, dass sich unter dem Label „caMPlusQ“ jetzt Wissenschaftler aus den Bereichen Materialwissenschaft und Werkstofftechnik zusammengeschlossen haben, um eine solche Verbundstruktur zu schaffen. Ansätze wie diesen brauchen wir auch für andere wirtschaftsnahe Hochschulbereiche.
Innovationen im Mittelstand weiter fördern
Fünftens ist die Innovationsförderung des Landes, die sich unmittelbar an Unternehmen richtet, gezielt weiterzuentwickeln und zukunftsfest zu machen. Trotz aller Sparzwänge muss gewährleistet bleiben, dass die saarländische Wirtschaft gegenüber ihrer Konkurrenz in anderen Ländern nicht ins Hintertreffen gerät. Denn für den industriellen Mittelstand im Land gilt nach wie vor: Es stimmt zwar die Klasse, aber es mangelt noch an Masse. Insofern besteht weiterhin strukturpolitischer Handlungsbedarf.
Zu begrüßen ist in diesem Kontext der geplante Ausbau der Zentrale für Produktivität und Technologie (ZPT) zu einem Zentrum für Wirtschafts-, Innovations- und Standortförderung (ZEWIS). Die Bündelung der Kräfte bei dieser gemeinsam von Landesregierung und Wirtschaft getragenen Einrichtung spart dem Land Ressourcen und den Unternehmen unnötige Wege. Jetzt gilt es, die Ausbauschritte rasch zu konkretisieren und die Finanzierung auf der Zeitschiene zu sichern.
Auf all diesen Themenfeldern lassen sich gewiss auch isolierte Lösungen finden. Allerdings wäre das Ergebnis dann alles andere als optimal. Denn Vieles hängt mit Vielem zusammen. Gefragt ist deshalb ein stimmiges Gesamtkonzept, das alle wichtigen Handlungsfelder umfasst und allen Akteuren bis Ende des Jahrzehnts die nötige Orientierung gibt. Kurzum: Wir brauchen eine Innovationsstrategie III.