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Halbherzig

IHK-Vizepräsident Rolf Schneider zur Reform der
Unternehmensbesteuerung
Kolumne

01.08.2006

So richtig trauen tut sie sich nicht – die große Koalition. Die Unternehmen sollen zwar entlastet werden, damit sie wettbewerbsfähiger werden und weiter international mitspielen können. Dazu soll die Körperschaftsteuer halbiert werden und Gesamtbelastung unter 30 Prozent fallen. Doch dieses Zuckerbrot kommt nicht ohne Peitsche. Weil vor allem Konzerne Gewinne ins Ausland transferieren und dort versteuern, wird die ganze Wirtschaft in Sippenhaft genommen. Frei nach dem Motto: Was wir von den Erträgen nicht kriegen, holen wir von der Substanz. Anders ist es nicht zu verstehen, dass auch ertragsunabhängige Elemente wie Zinsen, Mieten, Pachten, Lizenzgebühren und Leasingraten in die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer eingehen sollen.

Das ist halbherzig, schädlich und ein Bruch mit einem Vierteljahrhundert Steuergeschichte in Deutschland. Seit Anfang der 80er Jahre die Lohnsummensteuer abgeschafft wurde, waren sich alle Bundesregierungen - gleich welcher Couleur - einig, dass Substanzsteuerelemente aus dem Unternehmensteuerrecht zu beseitigen sind. Zuletzt kippte in den 90er Jahren die Gewerbekapitalsteuer. Es schien nur noch eine Frage der Zeit bis als letztes Relikt auch die hälftige Anrechnung von Dauerschuldzinsen in der Gewerbesteuer fallen würde. Doch weit gefehlt: Wie der Zauberer mit dem Kaninchen aus dem Hut, überrascht die Bundesregierung jetzt mit neuen und zusätzlichen Kostenelementen zur Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. Und wohl gemerkt – nicht nur in der Gewerbesteuer, sondern auch in der Körperschaftsteuer. Steuerpolitik aus einem Guss sieht anders aus.

Schädlich ist die Reform vor allem deshalb, weil sie den Mittelstand trifft. Zwei Drittel aller Arbeitnehmer in Deutschland sind in mittelständischen Unternehmen beschäftigt. Und gerade diese Betriebe sind auf die ein oder andere Weise überwiegend fremdfinanziert. Sie werden daher – das zeigen erste Berechnungen – zu den Verlierern der Reform gehören, also nicht weniger, sondern mehr Steuern zahlen müssen. Wie dadurch Wachstum und Beschäftigung gefördert werden sollen, bleibt das große Geheimnis der Koalitionäre in Berlin.

Noch rätselhafter ist, warum die Koalition so mutlos ist. Vor allem angesichts der vielen Reformvorschläge, die in den letzten Jahren erarbeitet wurden, ist kaum nachzuvollziehen, warum sie so halbherzig agiert und beim Körperschaftsteuersatz auf halbem Wege stehen bleibt.

Gewinne werden exportiert, weil der Steuerstandort Deutschland nicht attraktiv genug ist. Also muss man ihn interessanter machen, indem man die Steuersätze auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau herunterschleust – und das liegt eher unter 25 als bei 30 Prozent. Das hält die Gewinne im Land, macht Investitionen rentabler und schafft Arbeitsplätze. Am Ende profitiert sogar der Fiskus. Mit Steuersätzen, die sich im internationalen Mittelfeld verlieren, sind diese Ziele nicht zu erreichen. Das sollte sich die Bundesregierung immer wieder bewusst machen – und entsprechend handeln.

Rolf Schneider
Vizepräsident der IHK Saarland