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Jeder Mensch darf lernen

Steuer- und Abgabenbelastung im internationalen Vergleich
Von Rolf Schneider, Vizepräsident IHK Saarland
Kolumne

01.03.2003

Ob vor den Wahlen oder nach den Wahlen, ob Politiker oder Medienvertreter, die Aussagen über die Belastung der deutschen Unternehmen mit Steuern und Abgaben im internationalen Vergleich sind nicht selten falsch und meist nur Halbwahrheiten. Da vielen der vorgenannten Personen häufig steuerliches Basiswissen fehlt, kann man ihnen nur Unwissen, aber keine Absicht unterstellen. Problematisch ist das allemal. Denn dadurch wird etwas suggeriert, was in der Wirklichkeit so nicht stimmt: dass nämlich weitere Steuerreformen überflüssig sind.

Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Gesamtbelastung der deutschen Unternehmen liegt im internationalen Vergleich wesentlich höher als in den meisten der mit Deutschland im Wettbewerb stehenden Länder, wie eine Untersuchung von Baker & McKenzie (London, 2001) zeigt. Hiernach betrug der Grenzsteuersatz für Kapitalgesellschaften im Thesaurierungsfall in 2001 z. B. in Irland zwischen 10 und 25 Prozent, Schweden 28 Prozent, Großbritannien 30 Prozent, Österreich 34 Prozent, USA 35 Prozent, Niederlande 35 Prozent, Frankreich 36,4 Prozent. In Deutschland liegt die Grenzsteuerbelastung dagegen bei 39,4 Prozent, einen durchschnittlichen Gewerbesteuerhebesatz von 428 Prozent (wie bei den meisten saarländischen Städten) unterstellt. Bei Ausschüttung an den Anteilseigner erhöht sich die Belastung sogar auf 54, 9 Prozent.

Nicht viel besser sieht es für Personenunternehmen und die Leistungsträger in unserer Wirtschaft aus. In der Spitze beträgt der Grenzsteuersatz in der Einkommensteuer 52 Prozent. Dies ist der sechsthöchste unter den siebzehn wichtigsten Industrienationen. Das ist Gift für die Leistungsbereitschaft, für Investitionen und für neue Jobs.

Aber auch die volkswirtschaftliche Steuerquote, die unter Hinweis auf die OECD immer wieder zitiert wird, erlaubt keinen Rückschluss auf die wirkliche Belastung deutscher Unternehmen im internationalen Vergleich. Im Gegensatz zu den anderen EU-Staaten werden bei uns das Kindergeld und die Eigenheimzulage als Steuermindereinnahmen verbucht. Hierdurch verringerte sich in 2001 das ausgewiesene Steueraufkommen um rund 36 Milliarden Euro. Das Beispiel zeigt, wie vorsichtig man mit solchen Vergleichen umgehen sollte. Und es lehrt, dass nur Vergleichbares vergleichbar ist.

Deshalb ist es auch ein Gebot der Redlichkeit, dass man bei internationalen Vergleichen auch die Sozialabgaben mit ins Kalkül einbezieht. Denn in Deutschland wird, anders als beispielsweise in Großbritannien oder Dänemark, das soziale Sicherungssystem weitgehend über Sozialbeiträge und nicht über Steuern finanziert. Für internationale Vergleiche sollte folglich die gesamtwirtschaftliche Steuer- und Abgabenquote herangezogen werden. Bei einem derartigen Vergleich kommt Deutschland nicht gut weg. Mit einer Gesamtabgabenquote von fast 42 Prozent belegt Deutschland einen Platz im vorderen Mittelfeld. Zum Vergleich: Japan 27,1 Prozent, Irland 31,5 Prozent, Schweiz 35,9 Prozent und Kanada 37,5 Prozent.

Steuersätze und Abgaben sind aber nur die eine Seite der Vergleichsmedaille. Die andere Seite sind die Bemessungsgrundlagen, auf die sich die Steuern und Abgaben beziehen. Und hier haben die vielfachen Verschärfungen bis hin zu den verschlechterten Abschreibungsbedingungen die Nachteile der in Deutschland weiterhin zu hohen nominalen Steuersätze noch verstärkt.

Statt sich permanent mit derartigen interpretationsbedürftigen Vergleichen auseinander zu setzen, sollte die Politik endlich die Lösung der steuerlichen Probleme angehen. Wir brauchen dringend bessere Rahmenbedingungen für unser Unternehmen, damit diese investieren und Arbeitsplätze schaffen können.

Die IHK-Organisation hat hierzu immer wieder Vorschläge gemacht. Im Einzelnen fordern wir die Politik auf:

  • alle Subventionen auf den Prüfstand zu stellen und künftig nur solche Subventionen neu oder weiter zu bewilligen, die im einzelnen auf ihre Berechtigung, Dringlichkeit und Finanzierungsmöglichkeit überprüft worden sind;
  • das Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen, das ausschließlich die Zielvorgabe hat, Mehreinnahmen zu erwirtschaften, zurück zu ziehen;
  • das Gesetz betreffend die Bauabzugsbesteuerung wegen seiner Ineffizienz wieder aufzuheben;
  • dass zukünftig bei der Gesetzgebung verbindliche Angaben zur Administrierbarkeit inkl. Programmierbarkeit von Gesetzestexten gemacht werden;
  • die Mindeststeuer nicht realisiert wird. Wenn unvermeidbar, dann aber ohne Sockelbetrag und Begrenzung auf 25 Prozent des positiven Ergebnisses;
  • dass ein schlüssiges System für alle Kapitalerträge entwickelt wird, wobei zunächst das Vertrauen der Anlieger zurück gewonnen werden muss;
  • die Gewerbesteuer durch eine Zuschlagsteuer auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer zu ersetzen;
  • die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das geltende Erbschaftsteuerrecht zu beseitigen und in der Folge bei einer verbreiterten bzw. erhöhten Bemessungsgrundlage die Erbschaftsteuertarife zu senken und zum Schutz von Betriebsvermögen in der Generationenfolge für die Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen eine Stundungsmöglichkeit und gegebenenfalls nach Ablauf einer bestimmten Frist einen Erlass vorzusehen;
  • zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs eine Befreiung von der Umsatzsteuer im zwischenunternehmerischen Lieferungs- bzw. Leistungsbezug vorzusehen;
  • die nachgelagerte Besteuerung von Altersrenten einzuführen, die es ermöglicht, eine Ergänzungsrente steuerfrei anzusparen (z. B. über Sonderausgabenabzug) und die zufließenden Renten beim Zufluss zu besteuern;
  • endlich eine Vereinfachung des Einkommensteuerrechts unter Zuhilfenahme der Vorschläge von Prof. Kirchhof und Prof. Rose vorzunehmen.