St. Ingbert – Steuerparadies im Saarland
Auch die übrigen Kommunen müssen mehr regionalpolitische
Verantwortung übernehmen!
Von Volker Giersch
Kommentar
01.11.2006
Besonders bemerkenswert ist, dass der Beschluss einvernehmlich von allen Stadtratsfraktionen getragen wurde. Dahinter steht die gemeinsame Überzeugung, dass der niedrigere Hebesatz der Wirtschaft zusätzliche Impulse gibt und dass er hilft, bestehende Unternehmen am Standort zu halten und neue anzusiedeln. Soviel Einsicht in ökonomische Zusammenhänge ist in der Politik bislang keineswegs selbstverständlich.
Hohe Steuerlast...
Die Entscheidung des St. Ingberter Stadtrates verdient deshalb Lob und Anerkennung. Sie ist gut für die Stadt und die dort ansässigen Unternehmen. Sie ist aber auch gut für das Land. Denn mit ihr verbindet sich die Hoffnung, dass andere saarländische Gemeinden dem Beispiel folgen werden. Das jedenfalls wäre dringend nötig. Denn das Saarland ist inzwischen wieder Hochsteuerland im Hochsteuerstaat Deutschland. Die Hebesätze der Saar-Kommunen liegen im Schnitt um rund 40 Punkte über dem Bundesniveau. Für die Saarwirtschaft ergibt sich daraus eine steuerliche Sonderlast von knapp 40 Millionen Euro jährlich, mit entsprechend negativen Folgen für Wachstum und Beschäftigung.
Die IHK weist auf diesen Standortmakel bereits seit Jahrzehnten hin. Doch mit eher mäßigem Erfolg – sieht man einmal von der kurzen Zeitspanne 2001 bis 2004 ab: In dieser Zeit war das Gewerbesteuersenkungsprogramm der neu gewählten Landesregierung in Kraft. Es war Herzstück ihrer Initiative zur Standortaufwertung und führte in fast allen Gemeinden zu einer Absenkung der Hebesätze um 22 Prozentpunkte. Leider hat die Regierung das Programm – mit Hinweis auf die schwierige Haushaltslage – nach der letzten Landtagswahl vorzeitig gestoppt. Aus der in Aussicht gestellten Kompensation – Streichung eines Feiertages – ist bislang nichts geworden.
41 der 52 Kommunen haben damals ihre Hebesätze wieder erhöht. Nur elf Gemeinden haben sie auf dem ermäßigten Niveau belassen oder gar weiter gesenkt. Dazu gehören die Landeshauptstadt Saarbrücken, Völklingen, Riegelsberg, Merchweiler, Spiesen-Elversberg, Saarlouis, Wadgassen, Schwalbach, Bous, Homburg und Mandelbachtal. So blieb das kurzlebige Landesprogramm nicht ganz ohne positive Nachwirkung.
... schadet dem Standort
In Deutschland besteht inzwischen weithin Konsens, dass die hohen Steuersätze für Unternehmen eine Hypothek im internationalen Standortwettbewerb sind. Aus diesem Grund soll ja auch der Körperschaftssteuersatz von derzeit 25 auf künftig unter 15 Prozent gesenkt werden.
Im Saarland ist die Einsicht, dass hohe (Gewerbe)Steuersätze von Nachteil sind, dagegen noch unterentwickelt – zumindest in den meisten Kommunen. Dabei gelten doch auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene die gleichen ökonomischen Gesetzmäßigkeiten: Hohe Steuern verhindern Investitionen, schaden der Beschäftigung und sind negativ für das Standortimage. Sie sind zwar nicht immer der wichtigste Standortfaktor, oft aber der ausschlaggebende.
Die Last der Gewerbesteuer wird dabei zumeist unterschätzt. So ist kaum bekannt, dass das Aufkommen aus dieser Steuer (im Saarland rund 370 Millionen Euro) inzwischen höher ist als das Aufkommen aus der Körperschaftssteuer (210 Millionen Euro). Entsprechend kräftig schlagen Unterschiede in den Hebesätzen bei den Unternehmen zu Buche: Die 180-Punkte-Senkung in St. Ingbert entspricht einer Senkung des Körperschaftssteuersatzes um mehr als sechs Prozentpunkte!
Gewerbesteuer belastet insbesondere auch den Mittelstand
Eine Fehleinschätzung ist, dass die Gewerbesteuer vorwiegend eine Großbetriebssteuer ist, die den Mittelstand kaum trifft. Im Saarland zahlen zurzeit gut 7.000 Unternehmen Gewerbesteuer. Mehr als 90 Prozent davon sind kleine und mittlere Unternehmen, die zwischen fünf und 500 Mitarbeitern beschäftigen. Der Mittelstand zahlt also kräftig – auch deshalb, weil kleinere Unternehmen, anders als die großen, kaum die Möglichkeit haben, Gewinnquellen ins Ausland zu verlagern, um so einer zu hohen Steuerlast auszuweichen.
Die saarländische Sonderlast schmerzt besonders in einer Zeit, in der viele mittelständische Unternehmen unter einer bedrohlich dünnen Eigenkapitaldecke leiden. Sie erschwert die Eigenkapitalbildung der Unternehmen, mindert ihre Finanzierungsspielräume, erhöht die Anfälligkeit gegen Krisen und begrenzt die Wachstumschancen.
Für eine kurze Zeit bestand immerhin die Hoffnung, dass die Gewerbesteuer im Zuge der anstehenden Unternehmenssteuerreform bundesweit abgeschafft und durch eine andere Steuer ersetzt wird. Das hätte die saarländische Sonderlast weitgehend beseitigt. Diese Hoffnung hat sich inzwischen leider zerschlagen. Schlimmer noch: Die Bemessungsgrundlage soll – trotz massiver Bedenken der Wirtschaft – um weitere ertragsunabhängige Elemente erweitert werden. Das Problem der hohen Hebesätze verschärft sich dadurch noch.
Spielraum für Entlastung ist vorhanden
Auf das Thema angesprochen verweisen die Kommunen zumeist auf ihre Finanznot. Das Argument vermag indes kaum zu überzeugen:
Erstens sprudeln die Finanzquellen der Kommunen zurzeit besonders kräftig. Das Gewerbesteueraufkommen ist weitaus stärker gestiegen als das Aufkommen aus anderen Steuern – seit 2003 um rund 40 Prozent. Das eröffnet bei sparsamer Haushaltsführung beträchtliche Spielräume für die Senkung der Steuersätze.
Zweitens gibt es Spielraum für Umschichtungen. Zurzeit greifen die Saar-Kommunen vor allem bei den Unternehmen zu: Die Hebesätze der Gewerbesteuer liegen deutlich über denen der Grundsteuer. In keinem anderen Bundesland gibt es eine ähnlich starke Schieflage zu Lasten der Wirtschaft. Das darf so nicht bleiben. Wir brauchen auch bei unseren Kommunen künftig mehr regionalpolitische Verantwortung und weniger kommunalpolitische Opportunität.
Drittens gibt es in den Kommunalhaushalten noch erhebliche Einsparpotenziale. Allein die Verluste im Bereich der Schwimmbäder belaufen sich im Saarland auf mehr als 30 Millionen Euro jährlich. Sie sind deshalb so hoch, weil wir uns je Einwohner gut 60 Prozent mehr Wasserfläche leisten als andere Bundesländer. Doch damit nicht genug: Statt Bäder zu schließen und die Verluste zu reduzieren, kommen neue verlustträchtige Bäder hinzu. Ähnlich verhält es sich bei Sportstätten und Mehrzweckhallen. Auch hier lautet der Befund: Zu großes, weiter wachsendes Angebot trotz rückläufiger Nachfrage. Siehe demografischer Wandel.
So drängt sich die Frage auf, womit sich die Zukunft eher gewinnen lässt: mit einer überdimensionierten Freizeit-Infrastruktur, die viel Geld verschlingt oder mit einer wirtschaftsfreundlichen Steuerpolitik, die die Wachstums- und Steuerkraft nachhaltig stärkt?
Die Antwort liegt nahe. Deshalb bleibt es bei unserem eindringlichen Appell an die Kommunen: Runter mit den Hebesätzen! Der finanzielle Spielraum dazu ist vorhanden.