Versicherungswirtschaft im Umbruch
IHK legt neue Branchenstudie vor
02.05.2003
Seit Mitte der 90er Jahre hat der überwiegende Teil der deutschen Versicherungswirtschaft von Kapitalerträgen gelebt. Die satten Kursgewinne der vergangenen Jahre hätten jedoch strukturelle Probleme der vermeintlich krisensicheren Branche überdeckt: Kaum ein Anbieter habe noch im eigentlichen Versicherungsgeschäft Gewinne erwirtschaftet; so die IHK in ihrem neuesten Branchenbericht.
Der Absturz an den Weltbörsen habe fast alle Versicherungsunternehmen empfindlich getroffen. Wegen der gesunkenen Kapitalanlageergebnisse hätten viele Lebensversicherer bereits ihre Überschussbeteiligungen abgesenkt. Selbst eine Verringerung der gesetzlichen Mindestverzinsung von 3,25 auf 2,75 Prozent sei inzwischen in der öffentlichen Diskussion. Einen Hoffnungsschimmer sehe die Versicherungswirtschaft in dem allgemeinen Trend zu mehr Eigenvorsorge für das Alter und für die Gesundheit. Obwohl die „Riester-Rente“ bislang sowohl beim Umsatz als auch bei den Gewinnaussichten hinter den Erwartungen zurück bleibe, könne die langsam in Fahrt kommende betriebliche Altersversorgung neue Wachstumsimpulse auslösen. Die Branche erwartet laut IHK daher für das laufende Jahr ein Beitragswachstum um 3,5 Prozent bei den Lebensversicherungen. Bei den privaten Krankenversicherungen seien es sogar knapp 6 Prozent.
Mehrere Herbststürme in den letzten Jahren und nicht zuletzt die Hochwasserkatastrophe vom August 2002 ließen den Aufwand der Versicherungswirtschaft für die Begleichung von Sturm- und Elementarschäden fühlbar steigen. Allein in der allgemeinen Sachversicherung habe das Augusthochwasser laut IHK Studie zu einem zusätzlichen Aufwand von 1,1 Milliarden Euro geführt. 2002 sei für die Sachversicherer das schlechteste Jahr seit 20 Jahren gewesen. Auch die Autoversicherer hätten unter den Unwettern gelitten. Das Augusthochwasser habe sie mit etwa 60 Millionen Euro belastet.
Zwar hätten die Stürme und Wasserfluten des Jahres 2002 nachhaltig das Risikobewusstsein in der Bevölkerung sensibilisiert. Eingeschränkt werde das Bedürfnis nach mehr Versicherungsschutz aber durch knappere Haushaltskassen. Die Branche rechne daher im Bereich der Schaden- und Unfallversicherung per Saldo nur mit einem bescheidenen Beitragswachstum von etwa 1,5 Prozent. Insgesamt werde für das laufende Jahr nur ein mäßiges Beitragswachstum von knapp 3 Prozent prognostiziert, so die IHK.
In den 90er Jahren haben sich die Rahmenbedingungen der Versicherungswirtschaft nachhaltig verändert. Durch jüngst erlassene EU-Richtlinien (Wertpapier- und Finanzdienstleisterrichtlinie sowie Versicherungsvermittlerrichtlinie) ist das Verhältnis zwischen Versicherern und anderen Finanzdienstleistern in Bewegung geraten. Laut IHK-Studie haben enger gewordene Wachstumsspielräume und weiter steigender Druck auf die Ertragsmargen viele Versicherungsunternehmen veranlasst, ihre Markt-Positionierung neu zu bestimmen. In der Folge sei es zu zahlreichen Konzernneu- und -umgründungen gekommen, so die IHK. Die Zahl der Unternehmensübernahmen, Fusionen und Kooperationen habe sich erhöht. Auch die saarländische Versicherungswirtschaft folge diesem Trend. Habe es hierzulande 1990 noch 13 Versicherungsunternehmen gegeben, so seien es heute nur noch 9 Unternehmen – ein Minus von fast 31 Prozent.
Auch für Versicherungsvermittler und –makler sind neue Zeiten angebrochen. Neue Medien wie das Internet haben laut Studie immer mehr Einfluss auf ihre tagtägliche Arbeit. Viele Versicherungsunternehmen böten dem Endkunden mittlerweile ihre Produkte direkt über das Internet an. Die Zahl der so getätigten Abschlüsse wachse stetig: Hätten im Oktober 2000 nur 4 Prozent aller deutschen Internetnutzer einen Versicherungsabschluss online getätigt, so seien es im Januar 2002 bereits 10 Prozent gewesen. Die anfängliche Euphorie weiche jedoch zum Teil der Ernüchterung. Gerade bei komplexen Versicherungsprodukten wie etwa einer Lebensversicherung habe sich gezeigt, dass über das Internet häufig nur Erstinformationen eingeholt würden. Der Kunde zögere, wenn es darum gehe, online einen Vertrag abzuschließen.
Gefragt sei daher immer noch der Versicherungsvermittler. Der Versicherungsnehmer von heute habe einen erhöhten Serviceanspruch, ein gestiegenes Preisbewusstsein und eine erhöhte Wechselbereitschaft, so die IHK. Darum müsse auch im Versicherungsbereich Service und Produkt zunehmend direkt auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten werden. Bundesweit gehe der Trend bei den Vermittlern vermehrt zu Bürogemeinschaften, Großagenturen oder Sozietäten. Im Saarland setze sich dieser Trend jedoch erst behutsam durch. Hier gebe es traditionell noch immer kleinere Agenturen und Vermittlergemeinschaften, die durch ihre Qualität am Markt überzeugten.
Nicht nur die Vertriebswege ändern sich, auch die seit Jahrzehnten bestehenden Rechtsgrundlagen sind im Fluss. Laut IHK Studie gibt das europäische Recht dem Vermittler umfangreiche Informations- und Unterrichtungspflichten in einem bisher nicht gekannten Ausmaß vor. Dies betreffe Informationspflichten beim Anbieten von Versicherungsleistungen und Finanzdienstleistungen. Auch könne bislang jeder als Versicherungsvermittler tätig werden, der beim örtlichen Gewerbeamt angemeldet ist. Aufgrund der EU-Versicherungsvermittlerrichtlinie vom Anfang diesen Jahres werde nun eine Registerpflicht für alle Versicherungsvermittler eingeführt. Nur wer registriert sei, könne künftig als Versicherungsvermittler tätig sein. Für bereits agierende Vermittler gebe es allerdings einen Bestandschutz, so die IHK.
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